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Armut im Ruhrgebiet Essener Tafel wird gerügt
Armut im Ruhrgebiet
NRW-Minister rügt Deutschen-Vorrang bei Essener Tafel
Die Essener Tafel nimmt vorerst nur Bedürftige mit deutschem Pass auf. Im SPIEGEL kritisiert die NRW-Landesregierung diese Entscheidung deutlich. Doch dem Leiter des Vereins sind Reaktionen der Politik egal.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung kritisiert die Entscheidung der Essener Tafel, vorübergehend nur Neukunden mit deutschem Personalausweis anzunehmen. Der Verein, der wöchentlich rund 6000 Menschen mit Lebensmittelspenden und gelegentlich Haushaltsgeräten versorgt, begründete die neue Regel damit, dass "der Anteil ausländischer Mitbürger bei unseren Kunden auf 75 Prozent angestiegen" sei. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hält den Ausschluss Nichtdeutscher für falsch: "Entscheidend kann nur die Bedürftigkeit, nicht die Herkunft sein", sagte Stamp dem SPIEGEL.
Auch die Dachorganisation Tafel Deutschland appellierte an die Verantwortlichen in Essen, die Regelung zu überdenken.
Jörg Sartor, Vorsitzender der Essener Tafel, ficht die Kritik nicht an: "Die deutsche Oma oder die alleinerziehende deutsche Mutter haben sich bei uns zuletzt nicht mehr wohlgefühlt."
Unter den Syrern und Russlanddeutschen gebe es "ein Nehmer-Gen", so Sartor. Einige würden drängeln und schubsen, es fehle an "einer Anstellkultur". Pro Woche würden nun rund 60 Personen ohne deutschen Pass abgewiesen, um wieder "ein ausgewogenes Verhältnis" herzustellen.
"Natürlich kann ich nachvollziehen, dass die Tafeln unter großem Druck stehen und ihre Ressourcen im Blick haben müssen", sagte Christian Woltering, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in NRW. "Aber Maßnahmen wie ein Aufnahmestopp sind Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten."
Sartor sagte dem SPIEGEL, die Kommentare von Politikern seien ihm egal. Er arbeite 40 Stunden die Woche ehrenamtlich. Wer ihn kritisiere, solle erst mal selbst mithelfen.
Sartor stellt die Bedürftigkeit einzelner Tafel-Besucher infrage. Als Beispiel führte er einen "80-jährigen Russlanddeutschen" an, der Kinderbettwäsche abgeholt habe. Man spüre schon jetzt einen Effekt der neuen Regelung, er werde die Entscheidung erst zurücknehmen, wenn das Verhältnis wieder ausgewogen sei.
http://www.spiegel.de/panorama/gese...nister-ruegt-deutschen-vorrang-a-1195041.html
Debatte über Essener Tafel
"Das macht mich wütend"
Der Vorsitzende der Tafeln in Deutschland findet die Entscheidung in Essen "unglücklich". Jochen Brühl verteidigt seine Kollegen jedoch auch - und verlangt im Kampf gegen Armut mehr Hilfe aus der Politik.
SPIEGEL ONLINE: Wie bewerten Sie die Entscheidung der Essener Tafel, vorerst keine Migranten in den Kreis der Neukunden aufzunehmen?
Jochen Brühl: Wir heißen das als Dachverband nicht gut. Für uns ist der Maßstab die Not und nicht die Herkunft. Die Tafel in Essen hat eine unglückliche Entscheidung getroffen. Ich billige das nicht, aber der Tafel daraus einen Vorwurf abzuleiten, ist absurd.
SPIEGEL ONLINE: Was meinen Sie damit?
Brühl: Die Situation in Essen ist speziell, mit 75 Prozent Migranten als Tafel-Kunden. Wir haben mit den Kollegen dort gesprochen, ob sich eine andere Lösung finden lässt. Es wird auch manches verfälscht dargestellt.
PIEGEL ONLINE: Was denn?
Brühl: Wenn es heißt, in Essen würden keine Lebensmittel mehr an Migranten ausgegeben, kann ich nur sagen, das ist falsch.
Natürlich wird dort weiter an Migranten ausgeteilt. Es werden nur vorerst keine neuen Menschen mit Migrationshintergrund in die Kartei aufgenommen.
Die Tafeln werden dieses Jahr 25 Jahre alt.
[B]Seit Jahrzehnten hat Deutschland ein gravierendes Armutsproblem, das stetig wächst. Dafür scheint sich niemand zu interessieren[/B].
Aber wenn eine Tafel, die ganz offensichtlich an ihre Belastungsgrenze stößt, eine solche Entscheidung trifft, wird daraus ein Riesenskandal gemacht. Das macht mich wütend.
SPIEGEL ONLINE: Warum?
Brühl: Weil die Aufregung über die Sache in Essen den eigentlichen Skandal verdeckt: die Verarmung eines Teils unserer Gesellschaft.
Wir haben eine Riesenlobby für Dieselfahrzeuge, aber nicht für hilfsbedürftige Menschen. Dieselmotoren sind in unserer Gesellschaft offenbar wichtiger als Armutsbekämpfung.
SPIEGEL ONLINE: Was ist Ihr Vorwurf an Politik und Gesellschaft?
Brühl: Es ist nicht die Aufgabe einer Ehrenamtsorganisation, das Armutsproblem zu lösen. Das muss der Staat tun. Stattdessen wird es auf die Tafel übertragen, eine Organisation von 60.000 Ehrenamtlichen, die Tag für Tag ihr Bestes geben. Aber statt das Armutsproblem zu diskutieren, wird die Entscheidung in Essen skandalisiert.
http://www.spiegel.de/panorama/gese...deutschen-tafeln-zum-fall-sagt-a-1195121.html
Richtig so. Nicht kuschen. Die Alte im Vorsitz soll sich selbst hinstellen und mitarbeiten. Unglaublich.
Armut im Ruhrgebiet
NRW-Minister rügt Deutschen-Vorrang bei Essener Tafel
Die Essener Tafel nimmt vorerst nur Bedürftige mit deutschem Pass auf. Im SPIEGEL kritisiert die NRW-Landesregierung diese Entscheidung deutlich. Doch dem Leiter des Vereins sind Reaktionen der Politik egal.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung kritisiert die Entscheidung der Essener Tafel, vorübergehend nur Neukunden mit deutschem Personalausweis anzunehmen. Der Verein, der wöchentlich rund 6000 Menschen mit Lebensmittelspenden und gelegentlich Haushaltsgeräten versorgt, begründete die neue Regel damit, dass "der Anteil ausländischer Mitbürger bei unseren Kunden auf 75 Prozent angestiegen" sei. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hält den Ausschluss Nichtdeutscher für falsch: "Entscheidend kann nur die Bedürftigkeit, nicht die Herkunft sein", sagte Stamp dem SPIEGEL.
Auch die Dachorganisation Tafel Deutschland appellierte an die Verantwortlichen in Essen, die Regelung zu überdenken.
Jörg Sartor, Vorsitzender der Essener Tafel, ficht die Kritik nicht an: "Die deutsche Oma oder die alleinerziehende deutsche Mutter haben sich bei uns zuletzt nicht mehr wohlgefühlt."
Unter den Syrern und Russlanddeutschen gebe es "ein Nehmer-Gen", so Sartor. Einige würden drängeln und schubsen, es fehle an "einer Anstellkultur". Pro Woche würden nun rund 60 Personen ohne deutschen Pass abgewiesen, um wieder "ein ausgewogenes Verhältnis" herzustellen.
"Natürlich kann ich nachvollziehen, dass die Tafeln unter großem Druck stehen und ihre Ressourcen im Blick haben müssen", sagte Christian Woltering, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in NRW. "Aber Maßnahmen wie ein Aufnahmestopp sind Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten."
Sartor sagte dem SPIEGEL, die Kommentare von Politikern seien ihm egal. Er arbeite 40 Stunden die Woche ehrenamtlich. Wer ihn kritisiere, solle erst mal selbst mithelfen.
Sartor stellt die Bedürftigkeit einzelner Tafel-Besucher infrage. Als Beispiel führte er einen "80-jährigen Russlanddeutschen" an, der Kinderbettwäsche abgeholt habe. Man spüre schon jetzt einen Effekt der neuen Regelung, er werde die Entscheidung erst zurücknehmen, wenn das Verhältnis wieder ausgewogen sei.
http://www.spiegel.de/panorama/gese...nister-ruegt-deutschen-vorrang-a-1195041.html
Debatte über Essener Tafel
"Das macht mich wütend"
Der Vorsitzende der Tafeln in Deutschland findet die Entscheidung in Essen "unglücklich". Jochen Brühl verteidigt seine Kollegen jedoch auch - und verlangt im Kampf gegen Armut mehr Hilfe aus der Politik.
SPIEGEL ONLINE: Wie bewerten Sie die Entscheidung der Essener Tafel, vorerst keine Migranten in den Kreis der Neukunden aufzunehmen?
Jochen Brühl: Wir heißen das als Dachverband nicht gut. Für uns ist der Maßstab die Not und nicht die Herkunft. Die Tafel in Essen hat eine unglückliche Entscheidung getroffen. Ich billige das nicht, aber der Tafel daraus einen Vorwurf abzuleiten, ist absurd.
SPIEGEL ONLINE: Was meinen Sie damit?
Brühl: Die Situation in Essen ist speziell, mit 75 Prozent Migranten als Tafel-Kunden. Wir haben mit den Kollegen dort gesprochen, ob sich eine andere Lösung finden lässt. Es wird auch manches verfälscht dargestellt.
PIEGEL ONLINE: Was denn?
Brühl: Wenn es heißt, in Essen würden keine Lebensmittel mehr an Migranten ausgegeben, kann ich nur sagen, das ist falsch.
Natürlich wird dort weiter an Migranten ausgeteilt. Es werden nur vorerst keine neuen Menschen mit Migrationshintergrund in die Kartei aufgenommen.
Die Tafeln werden dieses Jahr 25 Jahre alt.
[B]Seit Jahrzehnten hat Deutschland ein gravierendes Armutsproblem, das stetig wächst. Dafür scheint sich niemand zu interessieren[/B].
Aber wenn eine Tafel, die ganz offensichtlich an ihre Belastungsgrenze stößt, eine solche Entscheidung trifft, wird daraus ein Riesenskandal gemacht. Das macht mich wütend.
SPIEGEL ONLINE: Warum?
Brühl: Weil die Aufregung über die Sache in Essen den eigentlichen Skandal verdeckt: die Verarmung eines Teils unserer Gesellschaft.
Wir haben eine Riesenlobby für Dieselfahrzeuge, aber nicht für hilfsbedürftige Menschen. Dieselmotoren sind in unserer Gesellschaft offenbar wichtiger als Armutsbekämpfung.
SPIEGEL ONLINE: Was ist Ihr Vorwurf an Politik und Gesellschaft?
Brühl: Es ist nicht die Aufgabe einer Ehrenamtsorganisation, das Armutsproblem zu lösen. Das muss der Staat tun. Stattdessen wird es auf die Tafel übertragen, eine Organisation von 60.000 Ehrenamtlichen, die Tag für Tag ihr Bestes geben. Aber statt das Armutsproblem zu diskutieren, wird die Entscheidung in Essen skandalisiert.
http://www.spiegel.de/panorama/gese...deutschen-tafeln-zum-fall-sagt-a-1195121.html
Richtig so. Nicht kuschen. Die Alte im Vorsitz soll sich selbst hinstellen und mitarbeiten. Unglaublich.