Die zwei schärfsten Gegner des politischen Islams in Europa
Stand: 03.11.2020 | Lesedauer: 5 Minuten
Von Christoph B. Schiltz
Der französische Präsident Emmanuel Macron war einer der Ersten, der den Österreichern nach den Attentaten von Wien sein Mitgefühl aussprach. Das ist kein Zufall: Macron und Kurz haben sich den Kampf gegen den politischen Islam auf ihre Fahnen geschrieben.
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Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte in der Nacht nach dem verheerenden Terroranschlag in Wien mit bisher vier Toten kaum geschlafen. Aber am Dienstagmorgen gegen kurz vor 11 Uhr, eingerahmt von den Flaggen Österreichs und Europas, ist seine Stimme fest, und er wirkt entschlossen. Kurz weiß, dass es jetzt auf jedes Wort ankommt.
Der Terror sei getrieben vom „Hass auf unser Lebensmodell“, sagt Kurz. Man werde diesem „Hass keinen Raum geben“. Man dürfe sich von den Terroristen nicht einschüchtern lassen. „Unsere Grundwerte werden wir mit aller Kraft verteidigen.“ Man werde „die Täter, die Hintermänner und Gleichgesinnten jagen“ und „gerecht“ bestrafen. Auf gar keinen Fall dürfe man allerdings in ihre „Falle“ tappen: „Der Terrorismus will die Gesellschaft spalten.“
Die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden in Wien waren seit Tagen angespannt. Am Donnerstagabend stürmten etwa 30 afghanische, türkische und syrische Jugendliche die St.-Anton-Kirche in Wien-Favoriten. Sie traten gegen das Taufbecken und gegen Beichtstühle, immer wieder skandierten sie „Allahu akbar“. Am Samstagmorgen gegen 8 Uhr wurde die Polizei in den Wiener Stephansdom gerufen. Sie evakuierte das Gebäude. Ein 25-jähriger Afghane hatte mehrfach „Allahu akbar“ geschrien.
Österreichs Bundesregierung reagierte. Nach den islamistisch motivierten Terroranschlägen in Frankreich in den vergangenen Wochen wurden am Wochenende 50 Beamte zur Überwachung des Stadtteils Favoriten abkommandiert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und die Polizeisondereinheit Cobra stimmten sich ab: Neben einer verstärkten Überwachung französischer Einrichtungen wurden von nun an auch öffentliche Plätze in Wien stärker überwacht. Aber das Massaker vom Montagabend am Schwedenplatz konnte das nicht verhindern.
Es war kein Zufall, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als einer der Ersten den Menschen in Österreich sein Mitgefühl aussprach: „Wir Franzosen teilen den Schock und die Trauer der Österreicher nach einem Attentat in ihrer Hauptstadt Wien. Nach Frankreich ist es nun ein befreundetes Land, das angegriffen wird. Wir werden nicht nachgeben.“
Macron ist zum Feindbild in Teilen der islamischen Welt geworden. Er hatte den politischen Islam wegen seiner Intoleranz gegenüber Andersdenkenden verurteilt, nachdem ein französischer Lehrer, der Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt hatte, ermordet worden war. Islamisten sollten in Frankreich künftig nicht mehr ruhig schlafen können, sagte Macron.
Neben Macron ist Kurz der schärfste Gegner des politischen Islams in Europa. Seit Jahren sieht er ihn als Bedrohung für Demokratie und Freiheit in seinem Land. Direkt nach den Vorkommnissen am vergangenen Donnerstag in der St.-Anton-Kirche twitterte Kurz unmissverständlich: „Alle Christen müssen in Österreich frei und in Sicherheit ihren Glauben ausüben können! Wir werden den Kampf gegen den politischen Islam entschieden weiterführen und keine falsche Toleranz zeigen.“
Innenminister Karl Nehammer ergänzte: „Wir lassen uns in Österreich das Recht auf freie Religionsausübung niemals zerstören und werden die christliche Gemeinschaft mit allen unseren Kräften schützen.“
Erst Ende August hatte ein Syrer, der seit 2013 im Land lebte, den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Graz, Elie Rosen, attackiert. Nehammer bezeichnete den Angreifer als „radikal islamisierten Antisemiten, der darüber hinaus auch noch homophob ist“. Derartige Angriffe auf Juden gab es in den vergangenen Jahren immer wieder – häufig allerdings auch von Neonazis.
Kurz machte den Kampf gegen Antisemitismus darum zu einem zentralen Anliegen. Anders als in Deutschland, wo mit Felix Klein ein Beamter aus dem Auswärtigen Amt zum Antisemitismus-Beauftragten ernannt wurde, machte der Kanzler Europaministerin Karoline Edtstadler, deren Büro im Kanzleramt nur wenige Meter von Kurz entfernt liegt, zur Koordinatorin. Edtstadler will in den kommenden Wochen eine nationale Strategie mit 30 Maßnahmen zur Eindämmung von Antisemitismus vorlegen.
Die Regierung in Wien hat sich in den vergangenen Monaten auch intensiv mit dem Einfluss der Türkei auf das eigene Land auseinandergesetzt. Grund dafür waren gewaltsame Ausschreitungen im Juni in Wien-Favoriten, bei denen türkische Aktivisten eine friedliche kurdische Demonstration und Polizisten angegriffen hatten. Dabei kam heraus, dass der türkische Geheimdienst seine Hände im Spiel hatte.
Botschaft an die Türkei
„Wir haben eine klare Botschaft an die türkische Republik: Türkische Spionage und türkische Eingriffe in Freiheitsrechte haben in Österreich keinen Platz“, sagte Innenminister Nehammer damals. Der Verfassungsschutz untersuchte den Einfluss der Türkei auf Vereine in Österreich. Es gebe eine „ungute Gemengelage“ aus gewaltbereiten Jugendgruppen und politischer Einflussnahme, sagte Nehammer mit Blick auf die Türkei.
Die konservative ÖVP, deren Vorsitzender Kurz ist, hat neben dem Rechtsextremismus vor allem den politischen Islam als Bedrohung für Österreich ins Visier genommen. Laut Wahlprogramm von 2019 will die ÖVP den politischen Islamismus mit Freiheitsstrafen ahnden. Auch sprach sich die Regierungspartei konsequent gegen die Finanzierung von Moscheen in Österreich aus dem Ausland aus.
Zudem plädierte die ÖVP dafür, ausländische IS-Kämpfer vor einem internationalen Tribunal im Nahen Osten zu verurteilen und zu inhaftieren. Laut ÖVP-Programm sollen zudem Vereine künftig nicht nur dann aufgelöst werden, wenn sie gegen Strafgesetze verstoßen, sondern auch, wenn sie extremistisches Gedankengut verbreiten – eine Breitseite gegen radikale Moscheevereine.
Im Juli dieses Jahres wurde in Österreich zudem die „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ ins Leben gerufen. Integrationsministerin Susanne Raab nannte die neue Einrichtung ein „absolutes Leuchtturmprojekt im Kampf gegen den politischen Islam“ und einen „Meilenstein in der Extremismus-Prävention und der Extremismus-Forschung“. Die Dokumentationsstelle will laut Raab ausländische Netzwerke und Einflüsse, die „unter dem Deckmantel der Religion“ das Zusammenleben und die Integration gefährden, aufdecken und bekämpfen.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs (IGGÖ) reagierte scharf. Präsident Ümit Vural polemisierte, es könnte „die türkis-blaue Politik der Ausgrenzung und Kriminalisierung unserer muslimischen MitbürgerInnen fortgesetzt werden“.