Ein interessantes Interview mit Philosoph Julian Nida-Rümelin:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/philosoph-julian-nida-ruemelin-statt-offener-grenzen-ein.990.de.html?dram:article_id=388764
Diesem Teil kann ich zustimmen:
Statt offener Grenzen - ein Marshall-Plan für Afrika!
...Nachdem sich die Welt jahrzehntelang nicht mehr um das Elend und die Not gekümmert hat und stattdessen Welthandelsverträge beraten hat, glauben wir nun, mit offenen Grenzen das Weltelend mindern zu können. – Das ist eine völlige Fehleinschätzung auch der Größenordnung und der Herausforderung, vor der diese Welt steht...
...Ja, das ist die ganz falsche Reaktion darauf. Grenzen auf nützt denjenigen, denen es in diesen Regionen, in den Herkunftsregionen, in den ärmeren Ländern der Welt vergleichsweise gut geht...
...Wer 9.000 US-Dollar aufbringt, der gehört nicht zur unteren Milliarde der Weltbevölkerung, die von weniger als 1,25 US-Dollar Kaufkraft am Tag...
...Das heißt, die auch nur vorübergehende, zeitweise oder stärkere Öffnung von Grenzen würde nicht denjenigen zugutekommen, die nun wirklich darauf angewiesen sind, dass geholfen wird, dass wir eine Weltsozialpolitik und Weltinnenpolitik betreiben, eine Welthandelspolitik, die dieser unteren Milliarde auf die Beine hilft...
...aus der Sicht der Welt geht es um winzige Bruchteile. Wir reden von einer, zwei, drei Milliarden. Das sind 3.000 Millionen Menschen, denen es elendig geht, die von zwei, drei oder dreieinhalb US-Dollar am Tag leben müssen, die natürlich sich ein besseres Leben auf der Welt vorstellen...
...Das heißt, man muss einfach mal die quantitativen Dimensionen des Weltelends zur Kenntnis nehmen, bevor man solche absurden Vorstellungen hat, dass durch die Öffnung von Grenzen etwas Wesentliches dazu beigetragen werden könnte, dass das Weltelend vermindert wird...
...Mal angenommen, wir bekommen es hin, dass die Menschen in diesen Regionen sagen: Okay, wir können 10 Prozent Zugang integrieren. Das ist zu machen. 10 Prozent ist viel mehr als die Einwanderung in Deutschland. Das war 1 Million von 80 Millionen. Das ist also etwas mehr als 1 Prozent. 10 Prozent ist gewaltig. Das wären also in Deutschland 8 Millionen Menschen. Dann hätten wir in den Reichtumsregionen der Welt 80 Millionen, denen wir eine bessere Zukunft geben, indem sie migrieren, konfrontiert mit einem Weltelend von Milliarden! 80 Millionen, das ist ja ein winziger Bruchteil. Und selbst das würde vermutlich mit einer politischen Entwicklung in Deutschland einhergehen und in Frankreich und in Spanien und in England und in den USA einhergehen, die nicht mehr steuerbar ist. Wir würden wahrscheinlich stracks in eine zweite Phase mehr oder weniger faschistischer, rechtspopulistischer mindestens, faschistischer Regierungen hineingeraten. Vor dieser Strategie kann man nur warnen...
...Verstehen Sie? Das ist die völlig falsche Strategie. Das grenzt geradezu an Realitätsverweigerung. Das ist sozusagen ein Teil der Ideologie geworden, zu sagen: Grenzen auf hilft. De facto hilft es nicht, weil es dem Weltelend nicht wirklich hilft. Im Gegensatz, es führt zum Beispiel auch dazu, dass in den Herkunftsregionen die Stärksten, die ökonomisch so wichtig sind, verloren gehen. Das heißt, wir haben dann noch das Problem des Brain-Drain. Die besser Ausgebildeten gehen dann mit ihrer Ausbildung nach Amerika oder nach Westeuropa...
... Ich gehe gar nicht so sehr, das ist in dem Buch ausführlich behandelt, auf Transfers ein, sondern auf eine Welthandels- und Weltsozialpolitik, eine faire Struktur des Welthandels. Die UNCTAD-Konferenzen hatten das zum Ziel. Das ist dann gestoppt worden durch den Wahlsieg von Thatcher und dann Reagan in den USA. Wir haben seitdem nur noch Welthandelsverträge zwischen den Reichtumsländern im Wesentlichen gehabt. Was wir wirklich brauchen, ist eine faire Entwicklungszusammenarbeit und faire Welthandelsstrukturen.
Es gibt einen Vorschlag. Der ist konkret durchgerechnet. Das sind nicht philosophische Ideen, sondern das konkret von Sozialwissenschaftlern und Ökonomen alles durchgerechnet. Wenn wir 1 Prozent Rohstoffdividende zum Beispiel etablieren würden, wären wir schon bei über 300 Milliarden, die wir für die Entwicklungszusammenarbeit einsetzen könnten.
Dazu sind die reichen Länder nicht bereit. 1 Prozent ist ihnen schon zu viel. Und dann reden wir über Linderung des Weltelends auf einem Weg, der überhaupt nicht funktioniert? Das ist doch an Absurdität kaum zu überbieten...
Hier liegt er m.E. daneben:
...Wer zu uns kommt, will doch in der Regel arbeiten. Ich glaube auch nicht, dass die Menschen hierher kommen, wie es von Rechts oft heißt, um unsere sozialen Sicherungssysteme auszunutzen...
Bis auf diesen einen Absatz hat er weitgehend recht. Offene Grenzen und 50-100 Millionen Menschen aufnehmen löst das Problen nicht. Das Problem ist der unfaire Welthandel. Hier nochmal anschaulich was passiert: