Will man Willy Brandts Wirken als Kanzler würdigen, sollte man auch einen Blick auf seine innenpolitischen Leistungen werfen.
Was verstand er unter >>mehr Demokratie wagen?<< Seine Vision war ein Gesellschaftsmodell der >>Neuen Mitte<< in der sich alle Schichten der Bevölkerung chancengleich wiederfinden sollten.
Ein beispielloser Ausbau des Sozialstaates kam in Gang
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ie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bisher nur bei 90 Prozent des Lohnes, wurde per Gesetz auf hundert Prozent festgelegt. Die zweitägige Karenzzeit abgeschafft. Die Bezüge aus der Arbeitslosenversicherung stiegen auf nunmehr siebzig Prozent des letzten Nettogehalts. Neue Arbeit war nur dann zumutbar, wenn sie in etwa dem vorherigen Beruf und dessen Bezahlung entsprach. Die Sozialhilfe wurde massiv aufgestockt von einhundertsiebzehn auf zweihundertvierundfünfzig Mark und ebenso wie die Renten dynamisiert.
Stiegen die Löhne, stieg auch der Lohnersatz. Die Sozialhilfe entwickelte sich somit praktisch zum Mindestlohn. Per Beschluß wurden die Kriegsopferrenten >>dynamisiert<<, also der allgemeinen Einkommensentwicklung angepaßt. Die übrigen Rentner sollten aber nicht zu kurz kommen. Wer wollte, durfte ab 1972 mit dreiundsechzig in Rente gehen.Später gab es noch die Verdopplung des Sparerfreibetrages und die Einführung des einheitlichen Kindergelds. Durch diese Gesetze verminderten sich die Staatseinnahmen um zwölf Milliarden Mark.
Dann waren da noch die Herren Vetter und Kluncker von den Gewerkschaften , die natürlich auch ein ordentliches Stück vom Kuchen einforderten. Eine Vielzahl neuer Arbeitnehmerrechte passierte das Kabinett, der Kündigungsschutz wurde ausgeweitet und in Firmen mit mehr als fünf Beschäftigten durfte nun ein Betriebsrat gegründet werden.
SPD und Gewerkschafen fühlten sich endlich eins in trauter Harmonie. Es kam nicht mehr Sozialismus, nur mehr Sozialstaat. Es gab keine koordinierte Investitionslenkung, nur staatliche Investitionsprogramme. Und immer neue Schulden gab es auch.
Betrug die Staatsschuld 1966 noch knapp zwanzig Milliarden Mark, war diese Summe 1970 bereits um fünfundzwanzig Prozent gestiegen. Am Ende, als die Generation Willy im Mai 1974 abtrat, wurde die Rechnung präsentiert: Nochmal gegenüber 1970 ein Plus von fünfundvierzig Prozent. So hatte bis dahin noch kein Kanzler über die Stränge geschlagen.
Zwei Finanzminister mußte Brandt ziehen lassen, neben Alex Möller, den Star seines Kabinetts, Professor Karl Schiller, weil sie einen Kurswechsel hin zu mehr Sparsamkeit und weniger Traumtänzerei gefordert hatten, den Brandt aber nicht bewerkstelligen konnte. Karl Schiller trat am 2.Juli 1970 zurück und erklärte schriftlich seine Rücktrittsmotive:
>>Ich bin nicht bereit, eine Politik zu unterstützen, die nach außen den Eindruck erweckt, die Regierung lebe nach dem Motto >Nach uns die Sintflut.< Ich bin auch nicht bereit, dann womöglich noch von einem Amtsnachfolger gleicher oder anderer Couleur in einer neuen Regierung als Hauptschuldiger für eine große sogenannte Erblast haftbar gemacht zu werden.
Ein Finanzminister, der monatelang stumm bleiben sollte, wie das viele Kollegen wünschen, weil man in solchen Zeiten nicht von Geld redet, ist von mir nicht darzustellen. Die Regierung hat die Pflicht, über den Tellerrand des Wahltermins hinauszublicken und dem Volk rechtzeitig zu sagen, was zu leisten ist. Bei nüchterner und verantwortungsvoller Würdigung des von mir geschilderten Sachverhalts kann ich aus den Gegebenheiten nur die Konsequenz eines Rücktritts ziehen.<<
Mit den Worten :>>Der Helmut muß das machen,<< übergab Brandt im Mai 1974 sein Amt an seinen Wirtschaftsminister Helmut Schmidt, der mit den Worten zitiert wird:>> Weder Willy Brandt, noch sein Kanzleramtsminister (Prof. Horst Ehmke) hatten ein Augenmaß für die Belastbarkeit der Volkswirtschaft.<<
Gruß Pegasus.