Die Übermacht an Panzern und Flugzeugen ist kaum zu widerlegen. Dies wurde Hitler auch mitgeteilt. Er glaubte es nur nicht:
Am 22. Juni 1941 verfügte die Rote Armee gegenüber der Wehrmacht über die fünffache Anzahl an Flugzeugen und über die siebenfache Menge an Panzern, was Hitler 1941 weder wußte noch hatte wahrhaben wollen. "Hätte mir einer drei oder vier Tage vor dem Beginn des Rußlandkrieges erklärt, die Russen haben 10 000 Panzer", so Hitler in der Nacht vom 5. zum 6. Januar 1942, ,,ich hätte geantwortet: Sind Sie wahnsinnig?"
Die sowjetische Luftwaffe erhielt beispielsweise vom 1. Januar 1939 bis zum 22. Juni 1941 17 745 Kampfflugzeuge und die Artillerie 99 578 Geschütze, Kanonen und Granatwerfer gegenüber der Gesamtzahl von 7184 Geschützen der deutschen Artillerie bis Juni 1941. Die sowjetische Rüstungsindustrie beanspruchte 1941 43,4 Prozent des gesamten Staatshaushalts; sie war zwischen 1928 und 1941 von neun auf 23 Millionen "Werktätige" angewachsen.
Hatte die Friedensstärke der Roten Armee 1933 885 000 Mann betragen, waren es 1937 1 433 000, 1939 2 100 000, im Januar 1941 4 200 000 und im Juni 1941 weit über fünf Millionen Mann. Und die Gegenseite? Nach einer Forderung Hitlers von 1936 sollten die Wehrmacht und die Wirtschaft zwar 1940 auf einen Kriegsfall vorbereitet und voll einsatzfähig sein, doch das Rüstungsprogramm war – gemessen an der deutschen Industriekapazität – nur schwerfällig angelaufen.
Zum Angriff auf die Sowjetunion trat die Wehrmacht mit 152 Divisionen an: 3 500 000 Mann. Die Rote Armee verlor allein während des ersten Kriegsjahres 4 500 000 Mann (Tote, Verwundete und Gefangene), ohne daß sich dies gravierend auswirkte. Die hochentwickelte deutsche Technik und Industrie, die eisfreien Ostseehäfen und die Tür zum Westen waren Wünsche, die in Rußland über eine etablierte Tradition verfugten. Daß Stalin nur "Ruhe und grundlegende politische Sicherheiten" und "von Deutschland die Anerkennung der Unverletzlichkeit des Status quo und damit die unverrückbare Stabilität in Osteuropa" im Blick gehabt habe, wie beispielsweise Ingeborg Fleischauer, die ihre marxistisch-leninistische Herkunft nicht verbergen kann, in ihrem Stalinfreundlichen Buch "Der Pakt" behauptet, trifft angesichts der zuverlässigen Quellen nicht zu, auch wenn der Reigen derjenigen, die diese ideologisch instrumenta-lisierte These verfechten, immer noch Legion ist.
Eine besonders wichtige Quelle ist der vom späteren Marschall Wassilewski ausgearbeitete und in Kanzleischrift eigenhändig niedergeschriebene Operationsplan, den Schukow und Timoschenko dem Sowjetführer vermutlich unmittelbar nach dem Heß-Flug nach England vorlegten.
Danach sollten von der Roten Armee als erstes strategisches Ziel die südlich von Demblin aufmarschierten deutschen Streitkräfte vernichtet werden. Bis zum 30. Tag der Operation sollte die allgemeine Frontlinie Ostrolenka, der Fluß Narev, Lodz, Kreuzburg, Oppeln und Olmütz erreicht sein, um den sowjetischen Kräften der Südwestfront die Möglichkeit zu eröffnen, den Hauptschlag in Richtung Krakau-Kattowitz zu führen und auf diesem Wege die deutschen Streitkräfte von den südlichen Verbündeten abzuschneiden.
Durch einen "Nebenschlag" sollte die Kräftegruppierung um Warschau gebunden und die Voraussetzung geschaffen werden, der sowjetischen Südfront die Vernichtung der deutschen Truppen zu erleichtern. Gegen Finnland, Ostpreußen, Ungarn und Rumänien sollte eine "bewegliche Verteidigung" geführt werden, um bei günstiger Lage für einen vernichtenden Schlag gegen Rumänien bereit zu sein. Gleichzeitig sollten die deutschen Streitkräfte um Krakau "zerschlagen" und "der Raum Kattowitz in Besitz genommen" werden. Dies sollte im Hinblick auf die Absicht geschehen, den Angriff nach Norden und Nordwesten fortsetzen und das ehemalige Polen und Ostpreußen in Besitz nehmen zu können. Nach diesen Vorgaben folgten Weisungen zur Sicherstellung konzentrierter Schläge zur Vernichtung der rumänischen Armee.
Die dargelegten Maßnahmen seien so umzusetzen, hieß es weiter, daß es der sowjetischen Führung möglich sei, einen "Überraschungsangriff sowohl von der Luft als auch auf dem Lande" zu führen.
Protokolle Nürnberger Prozess 1945/46