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Ich überlegte, wo hinein dieses Thema passt: Gesellschaft oder Religion. Aber die dem Leser nach der Lektüre sich stellenden Fragen dürften möglicherweise bei Lösungsansätzen zu einem eigenen und besseren "gemeinschaftlichen" Leben beitragen. Devise: Weniger ist mehr?
Sufismus ist eine alte Lehre, die eine spirituelle Ausrichtung besitzt, mündend in dem, was man gemeinhin als Mystik bezeichnen kann. Im Islam kennzeichnet der Sufismus eine spezielle Randgruppe.
„Sufismus ist die alte Weisheit des Herzens. Er ist nicht durch Form, Zeit oder Raum begrenzt. Er war immer und wird immer sein.“– Llewellyn Vaughan-Lee
Eine sehr schöne Sufi-Geschichte erzählt von einem reichen König und einem armen Bettler, die einander begegneten. Der König fragte den Bettler, ob er ihm einen Wunsch erfüllen könne. Der Bettler entgegnete, dass der König das nicht können würde und wettete darauf, was diesen erzürnte, denn er war doch schließlich ein sehr der mächtiger König. Was sollte also der Wunsch sein? Der Bettler wies auf seine Bettelschale und sagte, dass sein Wunsch sei, dass der König ihm diese füllen möge. Nichts leichter als das, befand der König, denn er war sehr reich. So ließ er also seinen Wesir kommen und befahl ihm, die Bettelschale des Mannes mit Geld zu füllen. Der Wesir tat, wie ihm befohlen und schüttete Geld in die Schale – und das Geld verschwand darin. Also schüttete der Wesir immer mehr Geld nach, aber sobald es hereinfiel, verschwand es auch schon. Und die Bettelschale blieb leer. Der König fürchtete um sein Ansehen beim Volk, so er eine so einfache Wette verlieren würde und ließ immer weiter Geld, Gold, Juwelen, Diamanten, Smaragde und Perlen aus seinen Schatzkammern holen und in die Bettelschale schütten. Aber alles verschwand – es hörte einfach auf zu existieren.
Endlich nun musste sich der König geschlagen geben, denn seine Schatzkammern waren leer. Er war genau so bettelarm wie der Bettler. Er sank zu dessen Füßen nieder und gestand seine Niederlage ein. Aber bitte, sagte er, bevor du jetzt gehst, sage mir bitte nur, woraus ist die Bettelschale gemacht?
Der Bettler lachte und antwortete: Sie ist aus menschlichem Geist gemacht. Da gibt es kein Geheimnis. Sie ist ganz einfach aus menschlichem Begehren gefertigt.
So weit diese Geschichte. Und so wahr, mehr denn je in unserer heutigen Zeit. Das Ego, das nie genug bekommt, je mehr man ihm gibt, es ist nie erfüllt. Denn wie funktioniert der Mechanismus des immer mehr? Der Reiz des Neuen, die Erregung, die Abenteuerlust. Das Warten auf die Erfüllung der Wünsche. Und dann ist alles vorhanden. Das Haus, das Auto, die Yacht – und plötzlich erscheint alles wieder leer, ist sinnlos geworden. Denn was geschah? Der Geist hat es entmaterialisiert. Es hat keinen Reiz mehr. Denn dieser bestand nur darin, etwas zu bekommen. Der Rausch, der über das innere Nichtsein hinwegsah. Jetzt nun, das Auto steht in der Garage, das Geld ist auf dem Konto, der Reiz ist verflogen. Und die Leere greift wieder zu, bereit zu verschlingen. So muss ein neuer Reiz her, ein neuer Wunsch erfunden werden, um dem Abgrund zu entrinnen.
So geht man immer weiter, von einem Wunsch zum nächsten. Der Wendepunkt wird erst dann erreicht werden an dem Tag, wenn sich der Mensch der Sinnlosigkeit des Wünschens bewusst sein wird. Und er eine andere Reise anzutreten bereit ist. Die nach innen, zurück nach Hause...