Die Annektion der Krim hat mich damals überrascht, um nicht zu sagen enttäuscht. Kurz zuvor hatte Putin durch einen sehr geschickten diplomatischen Schachzug den Angriff der USA auf seinen Verbündeten Syrien vereitelt, indem er Assad dazu gebracht hat sein Giftgas aufzugeben. Das hat mir imponiert. Im Vergleich dazu war die Annektion der Krim ein plumper militärischer Schachzug, der den russisch-deutschen Beziehungen sozusagen "mit kühner Hand" das Genick gebrochen hat. Die diplomatische Absicherung der Annektion, die Volksabstimmung, die zwischen militärischer Besetzung und offizieller Annektion "schnell noch eingeschoben wurde", war völlig unzureichend.
Alternative Vorgehensweisen waren durchaus möglich. So hätte Russland die Krim de facto besetzen aber nicht de jure annektieren können, so wie Abchasien. Welchen Gewinn hat Russland von der formalen Annektion der Krim, die außerhalb Russland niemand anerkennt? Ich will mich an einem Pro und Kontra für die Annektion der Krim aus russischer Sicht versuchen.
KONTRA
- Die diplomatischen Folgen. Finnland, Polen, das Baltikum, die westlichen Nachbarstaaten sind verschreckt, die Ukraine zum Feind geworden. Die EU wurde in die Arme der USA getrieben; der Zusammenhalt der NATO gestärkt, die Militärausgaben der NATO Staaten werden erhöht.
Russland hat durch den Einsatz von Truppen, um die separatistische Bewegung zu unterstützen, seine Bestandsgarantien für die Ukraine, das Budapester Memorandum (1994) und den bilateralen Freundschaftsvertrag (1997) gebrochen. Das halte ich nicht für unbeträchtlich. Der Sinn solcher Veträge ist, die Vertrags-Partner von direkten (militärischen) Aktionen abzuhalten, um Differenzen durch Verhandlung zu lösen und falls dies nicht möglich ist, den Vertrag zu kündigen. Wie Bismarks Sohn es formuliert hat, der Rückversicherungsvertrag mit Russland "hält uns im Ernstfall die Russen wohl doch 6-8 Wochen länger vom Halse als ohne dem". Der "Rückversicherungsvertrag" der Ukraine mit Russland hat diese Funktion nicht erfüllt. Womit der Wert von Garantie- und Freundschaftsverträgen als Mittel russischer Politik vermindert ist.
Im Sicherheitsrat der UNO verweigerten 13 von 15 Mitgliedern der Annektion der Krim die Anerkennung, China enthielt sich, nur das russische Veto verhinderte eine Resolution. Daraufhin hat die UN-Generalversammlung am 27. März 2014 mit 100 Ja und 11 Nein Stimmen gegen die Annektion der Krim gestimmt.
- Die Sanktionen und sonstigen negativen wirtschaftlichen Folgen und Kosten.
- Der Vertrauensverlust. Wenn man Truppen ohne Hoheitsabzeichen einsetzt und das auf Nachfrage leugnet, dann wird die Behauptung, in der Ost-Ukraine seinen keine russ. Truppen im Einsatz, weniger glaubwürdig. Wenn man einen Teil seines Nachbarstaates annektiert, wirkt man als "ehrlicher Makler" wenig überzeugend.
PRO
- "Mehrer russischer Erde" ist ein alter Ehrentitel der Zaren - nicht nur Russlands Reichtum und Macht, auch sein Territorium wurde unter Putin vergrößert.
- Sewastopol, der Zugang Russlands zum Schwarzen Meer ist gesichert.
- Die Ukraine liegt im Bürgerkrieg. Damit ist ein Beitritt der Ukraine zu EU und NATO nicht mehr möglich.
Ohne den Bürgerkrieg wäre die pro-russische Minderheit der Bevölkerung politisch marginalisiert worden. Es hätte Demos und Straßenschlachten gegeben, aber auf lange Sicht wäre die gesamte Ukraine (mit der murrenden russischen Minderheit) in die EU und NATO eingetreten. So könnte zumindest die Schreckensvision ausgesehen haben, die Putin vor Augen hatte, nach dem Maidan-Putsch.
Wenn das seine Annahme war, dann war eine Möglichkeit, das zu verhindern, die Ukraine in den Bürgerkrieg zu treiben. Und wohl die einzige Möglichkeit den Bürgerkrieg auszulösen war die Annektion der Krim. Damit konnte Putin der pro-russischen Bevölkerung in der Ukraine folgendes deutlich machen. 1.) Die ukrainische Armee ist schwach. 2.) Russland ist bereit Hilfstruppen zu schicken. 3.) Russland ist bereit Teile der Ukraine aufzunehmen, wenn eine Volksabstimmung vorliegt.
Für jeden ukrainischen Möchtegern-Seperatisten musste damit klar sein: Grüner wirds nicht mehr, Jetzt oder Nie.
Ich habe mich direkt nach der Annektion der Krim gewundert, warum Putin keine beschwichtigende Erklärung abgegeben hat, in Sinne von: "Die Krim war ein Sonderfall, weitere Teile der Ukraine werde ich ohne Zustimmung der ukrainischen Regierung in keinem Fall annektieren und auch keine militärische Hilfe leisten für Separatisten".
Das schien mir damals ein logischer Schritt, um die Lage zu entspannen. Es hätte aber Separatisten entmutigen können. Das ist natürlich spekulativ, ist aber die einzige Überlegung, mit der ich mir Putins Vorgehen erklären kann, außer einer völligen Fehleinschätzung, wofür ich ihn eigentlich für zu clever halte. Eine Besetzung der Krim wäre anders als eine Annektion für die Separatisten ein entmutigendes Signal gewesen, dass Russland das Territorium der Ukraine respektiert, womit ein separatistischer Aufstand chancenlos ist. Daher musste es trotz der zu erwartenden negativen Reaktion im Ausland eine formale Annektion sein.
Eigentliches Ziel der Annektion war nicht die Krim selber, sondern die gesamte Ukraine, die damit von ihrem "Weg nach Westen" abgebracht werden sollte.
Für wie plausibel haltet ihr diese Einschätzung?
Also erstmal gilt es festzuhalten, dass die Krim russisch war und 23 Jahre lang unrechtmäßig in Besitz der Ukraine gewesen ist. Die Russen haben nur das vollzogen, was zu Zeiten Jelzins versäumt worden ist.
Rechtlich gesehen, war die Krim nie Teil der Ukraine und bei der Teilung der USSR hätte die Ukraine die Krim wieder abgeben müssen. Das ist jedoch wegen Jelzin nicht geschehen.
Es gibt nicht mal eine Demarkationslinie zwischen Russland und der Ukraine, geschweige denn irgendwelche Verträge welche die ukrainischen Gebiete festschreiben. Man hat einfach dumpf die ukrSSR 1zu1 so übernommen.
Somit ist die Krimfrage ein ungelöstes Problem aus der Sowjetzeit, welches gelöst werden musste.
Wichtig ist jedoch, dass die gesamte Bevölkerung der Krim für den Anschluß an Russland gestimmt hat. Das ist so entscheidend, dass alle anderen Pro und Contras irrelevant werden. Die Menschen haben über ihr Schicksal selbst entschieden und niemand, nicht Deutschland, nicht die Ukraine, USA oder sonst irgendjemand, hat das Recht ihre Entscheidung in Frage zu stellen und versuchen über ihre Köpfe hinweg ihre Zugehörigkeit zu bestimmen. Das ist das Selbstbestimmungsrecht, welches sowohl jedem Menschen als auch jedem Volk zusteht.
Fazit: Russland hat im Falle der Krim sowohl rechtlich, als auch moralisch im absoluten Maße richtig gehandelt und es handelte sich um eine offene Rechnung die von der Ukraine nicht beglichen wurde.
Jetzt zum Donbass....
Putin ist ein Politiker aller erster Klasse. Er hat natürlich die Gelegenheit ergriffen und den Konflikt auf dem Donbass unterstützt, damit die NATO Statuten verletzt werden und die Ukraine nicht der NATO beitreten kann. Dass dieser Beitritt erklärte Absicht der kiewer Putschisten war, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.
Der Konflikt an sich, hat aber mit Russland nur colateral etwas zu tun und ist in erster Linie ein rein Ukrainisches Problem.
Präsident Janukowitsch kommt aus dem Donbass und ist ein Zögling des Oligarchen Achmetow, der auf dem Donbass das sagen hat.
Nachdem die US-Zöglinge in Kiew geputscht haben, hat Achmetow samt einigen anderen Helfern eine Konterrevolution gestartet, mit dem Ziel seine Machtposition in der Ostukraine zu erhalten. Er wußte sehr wohl, dass die neuen Machthaber eine Zerschlagung seines Imperiums geplant haben und dass auch Kolomojskij einen Teil von seinem Besitz haben möchte.
Warum wird wohl die gesamte Nationalgarde, welche auf dem Donbass gegen die Separatisten kämpft, von Kolomojski&Co bezahlt? Weil sie ihre Felle davon schwimmen sehen.
Putin ist nur auf den Zug aufgesprungen und ist nicht der Drahtzieher gewesen. Im Grunde hat er nichts getan, was mittlerweile nicht zum internationalen Usus gehört; Revolutionen anzetteln und jeglichen Mob, der gegen den Rivalen ist, unterstützen.
Seine Ziele waren wie gesagt, Verhinderung des NATO Beitritts und die Erhaltung eines Teils der Zulieferer für die Rüstungsindustrie.
Die ganze Aufregung ist doch sowas von Bigott.