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Da Bildung ein wichtiges und großes Thema ist, der sich auch die einzelnen Parteien annehmen, ist es vielleicht interessant, sich über das Schul-/Bildungssystem zu unterhalten. Gestern benutzte in einer Abhandlung ein User das Wort "Inklusion", wobei er diese ablehnte.
Dass für Kinder das Beste gewollt wird, ist wohl anzunehmen. Und dass alle die gleichen Chancen erhalten sollen ist selbstverständlich. Ist "Inklusion" die Lösung? "Der Fall Henri" sorgte 2014 für Schlagzeilen. Es ging um den Jungen mit Down Syndrom, der aufs Gymnasium sollte.
Was halten Sie persönlich davon?
Hallo, Olivia!
Meine Meinung zum Thema "Inklusion" ist die, daß damit nach einer Art System gleichgemacht werden soll, was nun einmal nicht gleich ist: ich kenne kein einziges Kind, das von der Inklusion profitiert hätte, und zwar weder eines mit entsprechender Behinderung, das auf einer Regelschule "bessere Chancen" hätte als auf einer adäquaten Sonderschule noch ein gesundes Kind, dem das gemeinsame Lernen mit Behinderten in irgendeiner Weise nützte. Das Gegenteil ist der Fall:
Gesunde Kinder, die eine ihren Fähigkeiten und Begabungen angepaßte Schule besuchen, in der Leistungsfähigkeit und -wille einigermaßen homogen sind, haben die besten Chancen, aus ihren Möglichkeiten das Optimum zu machen, wenn sie weder im Konkurrenzkampf gegen wesentlich stärkere Schüler stehen, aber auch nicht durch wesentlich schwächere Schüler gebremst werden. Behinderte Kinder, insbesondere solche mit schweren geistigen Einschränkungen, können auf Sonderschulen ganz anders betreut und individuell gefördert werden, als das auf Regelschulen der Fall ist. Und wenn für den Besuch einer Regelschule unumgänglich ist, daß den behinderten Schülern in jeder Unterrichtsstunde Sonderlehrer, Sozialpädagogen und Betreuer zur Seite gestellt werden, damit sie überhaupt etwas lernen können, dann grenzt sie allein schon dieses Prozedere weit stärker aus, als es der Besuch einer speziellen Bildungseinrichtung für vergleichbare Fälle jemals könnte.
Im Endeffekt bedeutet das, daß sie WENIGER Chancen auf optimale Entwicklung haben und WENIGER Chancen auf einen normalen Schulalltag ohne Streß und Konkurrenzdruck. Daß schwer lernbehinderte oder geistig zurückgebliebene Kinder NICHT dieselben Chancen haben wie gesunde Kinder, ist keine Frage von Gerechtigkeit, sondern schlicht eine Frage der Voraussetzungen - und die sind nun einmal durch das Maß der Behinderung definiert: diese Kinder werden im bestehenden System nicht "behindert", geschweige denn benachteiligt, sie SIND es schlicht und einfach. Diese Kinder SIND nicht normal und sie auf einen "normalen" Durchschnitt hieven zu wollen, heißt entweder, die behinderten Kinder zu überfordern, indem sie Standards erfüllen sollen, die sie nun einmal nicht erfüllen KÖNNEN - oder es heißt, den Durchschnitt so weit abzusenken, daß die normalen Kinder am Ende ihrer schulischen Laufbahn mal so gerade den Standard einer heutigen Sonderschule erreichen. Letzteres ist die generelle Marschrichtung der Bildungspolitik, insofern ist nicht zu erwarten, daß das Ergebnis dieses Wahnsinns irgend etwas Gutes für irgendeinen Schüler mit sich bringen wird.
De Facto ist, meiner Ansicht nach, die Triebfeder hinter diesem Irrweg vor allem der Versuch, Kosten zu sparen: Sonderschulen kosten Geld, und zwar jede Menge. Sie benötigen ein sehr hohes und kostenintensives Personalaufkommen im Verhältnis zu relativ wenigen Schülern, hinzu kommen Kosten für Gebäude und aufwendige Ausstattung. Die eigentliche Perversion ist, diese Methode des Sparens auch noch als Innovation auf dem Weg zu angeblicher "Gerechtigkeit" verkaufen zu wollen: jedem, der versuchte, ein Kaltblut auf der Rennbahn gegen ein Vollblut starten zu lassen und dabei verlangte, daß in diesem Wettbewerb das Ergebnis des Rennens offen zu sein und das Vollblut nicht zu gewinnen hätte, würde zeitnah mit einer hinten zu schließenden Jacke versehen, und das völlig zu recht (genauso wie jeder aus dem Verkehr gezogen gehörte, der ein Vollblut zum Stämmerücken in den Wald mitnähme in der Erwartung, dieses werde dieselben Lasten bewegen wie ein Kaltblut).
Deutschland hatte mal, mit seinem 3-gliedrigen Schulsystem, ein hervorragendes System an Schulen, die Kindern das Lernen nach ihren jeweiligen Begabungen ermöglicht hat: Kindern mit handwerklicher Begabung wurde auf Hauptschulen das nötige Fundament mitgegeben, aus dieser Fähigkeit etwas zu machen; Kindern mit rechnerischem und organisatorischem Talent haben die Realschulen auf die entsprechenden Berufe vorbereitet und Kindern mit akademischen Fähigkeiten (was nicht bedeutet, daß diese Kinder, zum Beispiel, jemals in ihrem Leben in der Lage sein müssen, auch nur einen einzigen Nagel gerade in die Wand schlagen zu können!) den Weg zu den Universitäten und zum wissenschaftlichen Denken eröffnet. WAS jemand aus diesen Grundlagen jeweils macht, hat jeder selbst in der Hand: der eine bleibt vielleicht ein Leben lang Handwerksgeselle, der andere geht neue, weitere Wege, wird Meister, eignet sich das nötige kaufmännische Wissen an und macht sich selbstständig - alle Türen sind und waren offen, durchgehen muß jeder für sich allein.
Das System war perfekt auf die wirtschaftlichen und sozialen Erfordernisse unseres Landes angepaßt (und wäre das auch heute noch). Aus vorgeblichen Gründen der "Chancengleichheit" produzieren wir heute lieber Unmengen halbgebildeter Hochschulabsolventen (von "Akademikern" kann man beim besten Willen nur in einer kleinen Zahl der Fälle sprechen), die mit grotesken Titeln ausgestattet sind, jedoch ohne Fundament, ohne Know-How und ohne Funktion daherkommen.
Stattdessen muß das Vollblut statt im gestreckten Galopp im Zuckeltrab die Rennbahn entlanglaufen und das Kaltblut darf nur ein Fichtenzweiglein auf einmal schleppen... Schwachsinn in Reinkultur, dafür aber Bildungspolitik seit weit über 30 Jahren - und kein Ende abzusehen. Allerdings auch eine Form von "Inklusion": jeder noch so abenteuerlich-geistesgestörte Beflissenheitspolitiker kann sich in diesem Feld der Politik austoben, in einer Form, die in jedem anderen Zusammenhang zur sofortigen Zwangseinweisung in eine geeignete Klinik führte - dank Inklusion des Bildungswahns dürfen seine Betreiber und Fürsprecher frei herumlaufen und unter den Normalen leben.
Gruß -
Bendert