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Gelöschtes Mitglied 2801
Das Problem an der Reichsbürgerbewegung, die sie so persistent macht, ist zweierlei:GEORGENSGMÜND. Ein 49-jähriger "Reichsbürger" hat am Mittwochmorgen bei einer Durchsuchung in Georgensmünd (Mittelfranken, Kreis Roth) auf Polizeibeamte geschossen. Vier Polizisten wurden zum Teil schwer verletzt.
http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/reichsburger-schiesst-polizisten-nieder_521854
Wie zu lesen und auch gerade im Radio zu hören war ist ein Beamter verstorben.
Zum einen ist es eine herausragende Möglichkeit, sich eigener Fehler und Verantwortung zu entziehen. Die statistischen Analysen zu Anhängern von Verschwörungstheorien in Deutschland (Bartoscheck und Hepfer) zeigen, dass sie sich vor allem aus wenig gebildeten, verarmten, autoritär (religiös) erzogenen Personen zusammensetzen, die häufig rechtliche Probleme mit dem Staat haben. Das reicht von Streitereien um Ordnungswidrigkeiten, über Steuerschuld/-hinterziehung, bis hin zu tatsächlichen Straftaten. Da ist es natürlich sehr einfach, die eigenen Probleme durch Illegitimeren des vermeintlich gegen sie eingestellten Staates zu rechtfertigen.
Das zweite Problem ist die fehlerhaft interpretierte Geschichte von 1945 bis zum BverfG Urteil 1973.
Falsch ist zum Beispiel die Ansicht, das Deutsche Reich hätte kapitulieren müssen, die Wehrmacht allein hätte nicht ausgereicht. Die Haager Landkriegsordnung kennt die Kapitulation aber nur für militärische Kräfte, nicht für Staaten. Darüber hinaus hat Dönitz (der wohl als Staatsoberhaupt gesehen werden kann) dem Oberkommando der Wehrmacht die Ermächtigung zur Kapitulation erteilt. Eine Kapitulation ist auch kein Vertrag zwischen Völkern sondern eine Übereinkunft kombatantisch gegeneinander agierender Streitkräfte.
Faktisch ist außerdem das Deutsche Reich untergegangen durch den Zusammenbruch aller seiner Organe und die Unmöglichkeit der Ausübung von Kontrolle und Ausführung von Staatsaufgaben. Verwaltung, Kabinett, Polizei, Streitkräfte, Parlament… nichts war mehr funktionsfähig. Dönitz Regierung hat ja auch nur in Ermangelung irgendwelcher Alternativen eine minimale Form an Legitimität erhalten. Geht man nach der Gesetzeslage 1945, hätte nach Artikel 41 der Verfassung von Weimar eine Wahl zur Nachfolge Hitlers stattfinden müssen, was natürlich unmöglich war.
Dass das Deutsche Reich faktisch, wenn auch nicht rechtlich, untergegangen ist und in seinen notwendigen Merkmalen nicht fortbestand, beweist sich auch an der Neugründung der Bundesländer, inklusive eigener Verfassungen, über die ja auch abgestimmt wurde. Man blicke einmal in die bayerische Verfassung: „Bayern wird einem künftigen deutschen demokratischen Bundesstaat beitreten“ (Artikel 178). Ähnlich steht es in allen westdeutschen Verfassungen.
Die größte Fehlinterpretation ist und bleibt aber das Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahre 1973. Das wird von den Reichsbürgern komplett falsch verstanden und missbraucht. Mal abgesehen davon, ist es schon reichlich dämlich, sich auf das Urteil eines Gerichts zu beziehen, dass auf abgelehnten/als illegitim betrachteten Gesetzen beruht (letztlich ja dem GG).
Zum „Fortbestehen des Deutschen Reiches“: Die Feststellung ist grundsätzlich richtig, die Schlussfolgerung der Illegitimierung ist komplett falsch. Das Deutsche Reich bestand seit der Einigung durch Bismarck und seine Ausrufung in Versailles, eine Änderung der Staatsform hat zum Beispiel 1919 stattgefunden, ohne dass der vorherige Staat vollkommen untergegangen war. Selbiges geschah mit der Neugründung der Bundesrepublik, mit dem Unterschied, dass der Staat ohne die Alliierten nicht handlungsfähig gewesen wäre, die viele zentrale Aufgaben übernehmen mussten.
Daher ist es unstrittig, dass das Urteil nicht gegen den Bestand der BRD gewertet werden kann.
Ebenso ist erstmal die Feststellung 1973 richtig gewesen, dass die BRD, ehemals „Deutsches Reich“ genannt als Gesamtstaat damals nicht handlungsfähig war. Das Land war formal besetzt und auf die DDR konnte keine Staatsgewalt ausgeübt werden. Mit der Vereinigung 1990 ist die Relevanz dieses Teils aber weggefallen.
Insgesamt ist die Bewegung gefährlich, weil sie entsozialisierend auf Menschen wirkt. Das Leben von Mitbürgern, die den Staat anerkennen, verliert an Wert (siehe den gestorbenen Polizisten), die Notwendigkeit der Steuerzahlung wird verneint, obwohl die „Reichsbürger“ weiterhin von den damit bezahlten Diensten Gebrauch machen. Insgesamt leitet das einen gefährlichen Verfall des Verhaltens ein. Dagegen muss viel härter vorgegangen werden.