Putinversteher: Irgendwie kann der Begriff für mich nicht so alleine stehen. Ich erinnere mich noch gut daran als ich meinem Onkel mal was erklären wollte und ich fühlte mich wie vor der Wand als ob er gar nicht verstünde, was ich sage. Irgendwann fragte ich dann so: "Wieso kannst du das denn nicht verstehen?". Da lächelte er, wie es seine Art so war und sagte: "Oh doch, ich verstehe dich sehr gut. Doch ich habe dafür kein Verständnis.".
Wenn also jemand Putin wirklich versteht, muss das nicht zwangslos bedeuten, dass dieser auch voll hinter ihm steht. Ich glaube sogar, dass es auch umgekehrt in diesem Sinne funktioniert. Nämlich dass es "Putintreue" gibt, die zu ihm halten, obwohl sie ihn überhaupt nicht verstehen.
Gefällt mir, dein Post.
Lass mich dir aber sagen: Putin-Versteher, auch Putin-Würste genannt (zumindest von Engländern, die versuchen, das neudeutsche Wort "Putin Versteher" zu lesen und auszusprechen) sind nicht Leute, die Putin verstehen, so wie Historiker vielleicht versuchen, Hitler zu verstehen, ws auch für mich nicht weiter schwer wäre, wenn ich mir alles angucke, was an Fakten da ist.
Putin-Würste sind Leute, die ihre gesamte Argumentation auf Putin-Linie halten. Sie übernehmen nicht nur die Argumentation, sondern auch das Vokabular und die generelle emotionale Ausrichtung. Vor dem Krieg hätt ich solche Leute als hirnlose, wiederkäuerische Cheerleader abgetan, unfähig, eigene Argumente zu entwickeln oder auch nur bestehende Argumente mal zu durchdenken.
Seit dem Krieg sind das für mich Bots. Denn man merkt, es gibt für diese Leute auch keinen emotionalen Abstand von den Argumenten. Das ist oft pure Kriegsrhetorik, selbst wenn sie bisweilen gemässigt rüberkommt. Mit denselben Argumenten könnten viele hier genausogut Hitler verteidigen.
Hab ich Verständnis für Putin? Ich sags mal so: ich verstehe, warum er so denkt, wie er denkt. Und warum er das, was er da tut, für eine tolle Idee hält. Ich halt ihn nicht für dumm, wahnsinnig oder irrational, und würde es nicht um Tausende von Menschenleben und Zerstörung von vorher wirklich schönen Orten gehen, müsste ich ihn für seinen Wagemut sogar einen gewissen Respekt zollen.
Doch anders als das Sprichwort besagt, gewinnt nicht immer jeder, der etwas wagt. Manchmal kann man sich auch einfach nur grössenwahnsinnig überschätzen. Mit dem, was er da tut, tut er seinem Land nichts gutes. Er schwächt auch nicht den Westen oder verschiebt irgendwelche Machtzentren. Denn selbst wenn der Westen in eine Krise schlimmer als 2008 hineinrutschen sollte, es eine Versorgungskrise schlimmer als zu schlimmsten Covid-Zeiten geben sollte - es ändert nicht wirklich was. Der Petrodollar mag in seiner Dominanz bedroht sein, aber nicht wegen Putin, sondern wegen des digitalen Yuan. Vorausgesetzt, er wird je derartig freigegeben.
Ich weiss auch, dass er eine autarke Wirtschaft anstrebt, vergleichbar mit der DDR-Wirtschaft. Mit dieser Wirtschaft erbt er aber auch deren mangelnde Konkurrenzfähigkeit. Und anders als die DDR damals, ist er diesmal völlig auf sich allein gestellt. Kein Bedauern - er hat das so gewollt.
Davon, dass er aussenpolitisch komplett erledigt ist, muss ich glaub ich gar nicht erst sprechen. Dass er die Ukraine politisch komplett verloren hat, wollen viele selbst der eher gemässigten Putin-Versteher hier nicht wahrhaben.
Also ja, ich versteh hier schon einiges, für das ich kein Verständnis habe.