Während Misha ihre Geschichte erzählt, übernimmt Verlegerin Daniel die Feinarbeit. "Das muß ganz kurz vor dem Beginn der Endlösung gewesen sein", sagt sie, um mögliche Zweifel zu zerstreuen, "sie war nicht auf der Liste der Ghetto-Einwohner und fiel deswegen nicht auf." Doch wie kam ein acht oder neun Jahre altes Kind in das Ghetto und wieder raus? "Ganz einfach, sie stieg durch ein Loch in der Mauer ein und kletterte über die Friedhofsmauer nach draußen."
Misha lächelt, als wären Fragen nach Einzelheiten, wie zum Beispiel die, woher sie überhaupt wußte, daß es das Warschauer Ghetto war, völlig bedeutungslos angesichts der Leistung, die sie vollbracht hat. Über den wichtigsten Teil ihrer Erinnerungen, die Zeit mit den Wölfen, mag sie nicht sprechen, es soll nicht zuviel aus dem Buch vorweggenommen werden. Sie hätten ihr das Leben gerettet, das soll fürs erste genügen.
In den Wäldern traf sie auch einen alten Juden, der sie beschwor, am Leben zu bleiben, um von ihrer Odyssee zu berichten. In welcher Sprache hat sie sich mit dem Mann unterhalten? Misha lächelt wieder ihr geheimnisvolles Lächeln