Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller ist ein CSU-Politiker, der immer wieder einmal durch kritische Äußerungen jenseits von vorgegebenen Linien oder Lagerhaltungen auffällt (vgl. Abschiebung: Entwicklungshilfe sperren? Müller widerspricht). Nun hat er sich zu Libyen geäußert.
Ein Rezept hat auch Müller nicht, aber seine Analyse ist in ihrer Deutlichkeit selten. "In Libyen hat die Weltgemeinschaft große Fehler gemacht, indem Gaddafi weggebombt wurde", wird er von einem Treffen mit EU-Amtskollegen zitiert. Dem folgte ein zweiter großer Fehler, so Müller: Der Einsatz sei nicht "weiterentwickelt" worden. Man habe die Milizen nicht entwaffnet und nicht in die Stabilisierung des Landes investiert. Sein Fazit:
Nach fünf Jahren stehen wir vor dem kompletten Desaster.
Gerd Müller, Entwicklungsminister
In der Hauptstadt Tripolis kam es in dieser Woche zu Kämpfen zwischen Milizen, in deren Folge ganze Straßenzüge gesperrt wurden. Die Furcht und das Risiko einer Eskalation ist ständiger Begleiter des Geschehens. Nicht ohne Grund. Bilder von einem Granateneinschlag im Marriott-Hotelveranschaulichen, dass Hemmschwellen abgelegt werden können und Schlimmeres möglich ist.
Der erst am Vorabend ausgehandelte Waffenstillstand sei brüchig, meldete der Libyan Herald am gestrigen Donnerstag. Aufgekündigt wurde er von Haithem Tajouri, dessen Miliz, die "Tripoli Revolutionaries Brigade" zu den großen in der Haupstadt gehört. Sie ist mit der nationalen Einheitsregierung (abgekürzt GNA, für Government of National Accord) verbunden. Wie verlässlich die Verbindung zwischen Tajouri und der GNA ist, wissen vermutlich nur Insider. Die Warlords verfolgen ihre eigenen Machtinteressen, die Unterstützung der GNA durch die Miliz basierte auf langen Vorverhandlungen.
Man könnte auch den General Khalifa Haftar als Milizenführer bezeichnen. Nur besteht seine Miliz zu großen Teilen aus Resten der früheren libyschen Armee und er wird von dem offiziell anerkannten libyschen Parlament im Osten (abgekürzt HoR, steht für House of Representatives) unterstützt, das ihn offiziell zum Oberbefehlshaber der Armee gemacht hat. Haftars Milizen haben in der vergangenen Woche die beiden bedeutenden Ölzentren es-Sider und Ras Lanuf zurückerobert.
Diesmal aber gibt Haftar - mit Unterstützung des HoR-Parlaments - die Kontrolle über die beiden Orte, die für den Ölexport wichtig sind, nicht wieder an die staatliche Ölgesellschaft zurück, sondern will sie behalten, was seine Machtposition erheblich erhöht und damit seinen Einsatz bei Verhandlungen um die künftige Stellung seiner Person.
Damit deutet sich der nächste Konflikt an. Italien, das sich sehr in Libyen engagiert, hat bislang kein großes Interesse daran, dass Haftar der nächste starke Mann in Libyen wird. Man lässt sich - über Mitglieder des Präsidentenrates -, um Haftars Macht zu begrenzen, sogar mit obskuren islamistischen Gruppen ein, denen eine Verbindung zur al-Qaida nachgesagt wird.
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