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Freiheit ist heutzutage ein pervertierter Begriff geworden.
Was man heute mit diesem Begriff zu deuten versucht, ist die Freiheit, alles und jeden zu kaufen, unbehelligt nach unten austreten und Schwächere ungestraft ausnehmen zu dürfen.
Dies passt auch zur Untermauerung einer Bemerkung, die ich letzter Tage mal ins Forum eingestellt habe: In Europa ist die Linke tot, physisch zwar noch präsent, aber konzeptionell inexistent.
Ich lasse diese fast schon orwellsche Definitionsverdrehung lieber mal ausführlich jemand anders beleuchten, der eine spitzere Feder hat:
Konservative und Neoliberale plustern sich auf, sie wären die „Kraft der Freiheit".
Das ist absurd.
Die Linken sollten sich den Freiheitsbegriff zurückerobern.
Es gehört zu den eigentümlichsten Seltsamkeiten unserer an Seltsamkeiten nicht armen Welt, dass sich die Konservativen und Neoliberalen als „Kraft der Freiheit" grosstun, während sie den Linken und Progressiven die Punze umzuhängen versuchen, diese seien für Gängelung und die Einschränkung der Freiheit des Einzelnen. Vielleicht noch Bemerkenswerter ist, dass die Linken dem seit Jahrzehnten wenig entgegensetzen: „Freiheit" wird gewissermaßen als Propagandabegriff der Rechten - „Wirtschaftsfreiheit!" - abgehakt, während die Progressiven sich als Kraft der Gerechtigkeit darstellen wollen. Der Freiheitsbegriff wurde den Konservativen und Neoliberalen praktisch kampflos überlassen.
Das ist nicht nur deshalb bizarr, weil in der Ideen-Geschichte und der politischen Geschichte des Westens es meist die Linken und progressiven Liberalen waren, die sich für Freiheits- und Bürgerrechte und gleiche Rechte für alle starkgemacht haben - in den allermeisten Ländern des Kontinents, beispielsweise Deutschland, Österreich waren es die Sozialdemokraten, die gegen die Zensur stritten, Versammlungsfreiheit durchsetzten und das allgemeine Wahlrecht und die Demokratie erkämpften. Und die Konservativen waren es, die nach Polizei und Militär schrien, wenn jemand zu laut die Parole „Freiheit" äußerte. Es ist also nicht allein deshalb bizarr, weil in der Geschichte beinahe alle Freiheitsrechte von Progressiven erkämpft wurden. Es ist ja auch in der Gegenwart so, dass jene Konservativen und Neoliberalen, die sich ansonsten in betörenden Wortgirlanden auf die „Wirtschaftsfreiheit" berufen und auf die „Freiheit des Einzelnen" sowie auf dessen Recht, vom „bürokratischen Moloch Staat" unbehelligt zu werden, keine großen Probleme mit manifesten Freiheitseinschränkungen haben. Gleichzeitig sind sie ja stolz darauf, „Tough on Crime" zu sein, und befürworten fragwürdige Vorratsdatenspeicherungen, flächendeckende Überwachung mit Videokameras, juristische Schnellverfahren gegen Störenfriede, gerichtliche Notmaßnahmen gegen Terroristen oder jene, die sie dafür halten, ein rigides Grenzregime und vieles andere mehr. Wo die Freiheit des Einzelnen mit der „Wirtschaftsfreiheit" - also mit den Geschäftsinteressen mächtiger Wirtschaftsakteure - in Konflikt gerät, etwa in Urheberrechtsfragen, entscheiden sie sich beinahe instinktiv für die Geschäftsinteressen und gegen die Freiheit. Wissen wird tendenziell privatisiert und damit der freien Aneignung und Verwertung entzogen. Dieselben, die in Sonntagsreden etwa über die „Schweiz in der Welt der Freiheit" palavern, machen sich Wochentags für die massive Verschärfung der Polizeigesetze stark, und haben überhaupt keine Probleme damit, noch das geringfügigste abweichende Verhalten zu sanktionieren: Bald wird schon jeder, der im öffentlichen Raum herumlungert, eine Bierdose öffnet oder bettelt, mit polizeilicher „Wegweisung" oder Schlimmerem zu rechnen haben.
Und auch die „Wirtschaftsfreiheit" läuft für viele dieser Prediger in der Praxis auf die Freiheit hinaus, Wirtschaft, Gesellschaft und Staat ausplündern zu können, und von der Meinungsfreiheit bleibt nicht viel, wenn sich mächtige Akteure die Freiheit nehmen, sich Medien- und Meinungskartelle zusammenzukaufen.
Kurzum: Dieser neoliberale Kapitalismus ist nicht nur eine Bedrohung für Gerechtigkeitsnormen, weil er Einzelne mit großem Reichtum und der Macht ausstattet, die mit diesem einher geht, er untergräbt auch die Freiheit. Progressive sollten also an diesem zeitgenössischen deregulierten Kapitalismus nicht nur kritisieren, dass er a) unfaire Resultate zeitigt und die gesellschaftlichen Ungleichheiten massiv verschärft hat und dass er b) ökonomisch nicht funktioniert, wie wir seit Beginn der Finanzkrise wissen, sondern dass er eben c) für immer mehr Menschen die verschiedensten Freiheitseinschränkungen parat hält, und zwar manifeste wie auch subtile. Es ist an der Zeit für eine neue progressive Freiheitsbewegung gegen all jene Unfreiheiten, die uns der neoliberale Räuberkapitalismus eingebrockt hat.
Man muss den konservativen und neoliberalen Phrasendreschern der Freiheit nur aufmerksam zuhören, dann spürt man sofort, dass mit ihren Begriffen etwas nicht stimmt; dass ihr Gerede von der „Selbstverantwortung" und der „Eigenständigkeit" freier Individuen etwas eigentümlich Esoterisches hat: In der Welt, die sie malen, kommt Macht nicht vor, es gibt keine Statusdifferenzen, die den einen die Freiheit geben, den anderen auf dem Kopf herumzutrampen. Aber kapitalistische Marktwirtschaften generieren Ungleichheiten, und die haben freiheitseinschränkende Wirkungen für jene, die weniger begütert sind. Deshalb ist Freiheit ohne Gleichheit nicht zu denken.
Während konservative und neoliberale Schmalspurtheoretiker andauernd zu beweisen versuchen, dass man Freiheit und Gleichheit nicht gleichzeitig realisieren kann (etwa, weil mehr Gleichheit nur durch eine Umverteilung zu erreichen ist, die in die Freiheit der Einzelnen eingreift), ist es exakt anders herum: Freiheit ohne Gleichheit ist nur halbe Freiheit - viel Freiheit für die einen, wenig Freiheit für die anderen. Gleichheit heißt, dass alle die „Freiheit" haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. Und Ungleichheit hat freiheitseinschränkende Wirkungen für die weniger Begüterten, weil eklatanter Mangel mit einem eklatanten Mangel an Optionen einhergeht.
Hier geht es weiter:
http://www.misik.at/halbe-freiheit/das-laue-freiheitsgelaber-der-rechten.php
Was man heute mit diesem Begriff zu deuten versucht, ist die Freiheit, alles und jeden zu kaufen, unbehelligt nach unten austreten und Schwächere ungestraft ausnehmen zu dürfen.
Dies passt auch zur Untermauerung einer Bemerkung, die ich letzter Tage mal ins Forum eingestellt habe: In Europa ist die Linke tot, physisch zwar noch präsent, aber konzeptionell inexistent.
Ich lasse diese fast schon orwellsche Definitionsverdrehung lieber mal ausführlich jemand anders beleuchten, der eine spitzere Feder hat:
Konservative und Neoliberale plustern sich auf, sie wären die „Kraft der Freiheit".
Das ist absurd.
Die Linken sollten sich den Freiheitsbegriff zurückerobern.
Es gehört zu den eigentümlichsten Seltsamkeiten unserer an Seltsamkeiten nicht armen Welt, dass sich die Konservativen und Neoliberalen als „Kraft der Freiheit" grosstun, während sie den Linken und Progressiven die Punze umzuhängen versuchen, diese seien für Gängelung und die Einschränkung der Freiheit des Einzelnen. Vielleicht noch Bemerkenswerter ist, dass die Linken dem seit Jahrzehnten wenig entgegensetzen: „Freiheit" wird gewissermaßen als Propagandabegriff der Rechten - „Wirtschaftsfreiheit!" - abgehakt, während die Progressiven sich als Kraft der Gerechtigkeit darstellen wollen. Der Freiheitsbegriff wurde den Konservativen und Neoliberalen praktisch kampflos überlassen.
Das ist nicht nur deshalb bizarr, weil in der Ideen-Geschichte und der politischen Geschichte des Westens es meist die Linken und progressiven Liberalen waren, die sich für Freiheits- und Bürgerrechte und gleiche Rechte für alle starkgemacht haben - in den allermeisten Ländern des Kontinents, beispielsweise Deutschland, Österreich waren es die Sozialdemokraten, die gegen die Zensur stritten, Versammlungsfreiheit durchsetzten und das allgemeine Wahlrecht und die Demokratie erkämpften. Und die Konservativen waren es, die nach Polizei und Militär schrien, wenn jemand zu laut die Parole „Freiheit" äußerte. Es ist also nicht allein deshalb bizarr, weil in der Geschichte beinahe alle Freiheitsrechte von Progressiven erkämpft wurden. Es ist ja auch in der Gegenwart so, dass jene Konservativen und Neoliberalen, die sich ansonsten in betörenden Wortgirlanden auf die „Wirtschaftsfreiheit" berufen und auf die „Freiheit des Einzelnen" sowie auf dessen Recht, vom „bürokratischen Moloch Staat" unbehelligt zu werden, keine großen Probleme mit manifesten Freiheitseinschränkungen haben. Gleichzeitig sind sie ja stolz darauf, „Tough on Crime" zu sein, und befürworten fragwürdige Vorratsdatenspeicherungen, flächendeckende Überwachung mit Videokameras, juristische Schnellverfahren gegen Störenfriede, gerichtliche Notmaßnahmen gegen Terroristen oder jene, die sie dafür halten, ein rigides Grenzregime und vieles andere mehr. Wo die Freiheit des Einzelnen mit der „Wirtschaftsfreiheit" - also mit den Geschäftsinteressen mächtiger Wirtschaftsakteure - in Konflikt gerät, etwa in Urheberrechtsfragen, entscheiden sie sich beinahe instinktiv für die Geschäftsinteressen und gegen die Freiheit. Wissen wird tendenziell privatisiert und damit der freien Aneignung und Verwertung entzogen. Dieselben, die in Sonntagsreden etwa über die „Schweiz in der Welt der Freiheit" palavern, machen sich Wochentags für die massive Verschärfung der Polizeigesetze stark, und haben überhaupt keine Probleme damit, noch das geringfügigste abweichende Verhalten zu sanktionieren: Bald wird schon jeder, der im öffentlichen Raum herumlungert, eine Bierdose öffnet oder bettelt, mit polizeilicher „Wegweisung" oder Schlimmerem zu rechnen haben.
Und auch die „Wirtschaftsfreiheit" läuft für viele dieser Prediger in der Praxis auf die Freiheit hinaus, Wirtschaft, Gesellschaft und Staat ausplündern zu können, und von der Meinungsfreiheit bleibt nicht viel, wenn sich mächtige Akteure die Freiheit nehmen, sich Medien- und Meinungskartelle zusammenzukaufen.
Kurzum: Dieser neoliberale Kapitalismus ist nicht nur eine Bedrohung für Gerechtigkeitsnormen, weil er Einzelne mit großem Reichtum und der Macht ausstattet, die mit diesem einher geht, er untergräbt auch die Freiheit. Progressive sollten also an diesem zeitgenössischen deregulierten Kapitalismus nicht nur kritisieren, dass er a) unfaire Resultate zeitigt und die gesellschaftlichen Ungleichheiten massiv verschärft hat und dass er b) ökonomisch nicht funktioniert, wie wir seit Beginn der Finanzkrise wissen, sondern dass er eben c) für immer mehr Menschen die verschiedensten Freiheitseinschränkungen parat hält, und zwar manifeste wie auch subtile. Es ist an der Zeit für eine neue progressive Freiheitsbewegung gegen all jene Unfreiheiten, die uns der neoliberale Räuberkapitalismus eingebrockt hat.
Man muss den konservativen und neoliberalen Phrasendreschern der Freiheit nur aufmerksam zuhören, dann spürt man sofort, dass mit ihren Begriffen etwas nicht stimmt; dass ihr Gerede von der „Selbstverantwortung" und der „Eigenständigkeit" freier Individuen etwas eigentümlich Esoterisches hat: In der Welt, die sie malen, kommt Macht nicht vor, es gibt keine Statusdifferenzen, die den einen die Freiheit geben, den anderen auf dem Kopf herumzutrampen. Aber kapitalistische Marktwirtschaften generieren Ungleichheiten, und die haben freiheitseinschränkende Wirkungen für jene, die weniger begütert sind. Deshalb ist Freiheit ohne Gleichheit nicht zu denken.
Während konservative und neoliberale Schmalspurtheoretiker andauernd zu beweisen versuchen, dass man Freiheit und Gleichheit nicht gleichzeitig realisieren kann (etwa, weil mehr Gleichheit nur durch eine Umverteilung zu erreichen ist, die in die Freiheit der Einzelnen eingreift), ist es exakt anders herum: Freiheit ohne Gleichheit ist nur halbe Freiheit - viel Freiheit für die einen, wenig Freiheit für die anderen. Gleichheit heißt, dass alle die „Freiheit" haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. Und Ungleichheit hat freiheitseinschränkende Wirkungen für die weniger Begüterten, weil eklatanter Mangel mit einem eklatanten Mangel an Optionen einhergeht.
Hier geht es weiter:
http://www.misik.at/halbe-freiheit/das-laue-freiheitsgelaber-der-rechten.php