Die Identität ist auch ein Spiegelbild unserer deutschen Schicksalsgemeinschaft; die kann niemand leugnen. Unsere Geschichte hat uns Deutsche geprägt. Wir haben eine über tausendjährige Geschichte, in der wir aufgrund unserer mißlichen geographischen Lage sehr viel Leid von unseren Nachbarn ertragen mußten. Auch gerade dieser Zustand hat unsere Vorfahren zu immer neuen und besseren Überlebensideen beflügelt.
Deutschland fand immer wieder seine Größe in der Erringung von neuen Werten wie z.B. Erfindung des Benzinmotors oder die Pionierarbeit in der Flugtechnik. Hier trieb den deutschen Menschen der Fleiß, das Pflichtbewußtsein und der innere Wille zur Höchstleistung. Deutsche Tugenden und Werte wurden vor allem im preußischen Staat gepflegt, hieraus erwuchs das zunächst kleine Preußen zur europäischen Macht. Werte wie Sparsamkeit, Ordnung, Disziplin, Manneszucht, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Pflichtbewußtsein machen uns neben unserer blutmäßigen Abstammung zu Deutschen.
Leider werden heute solche bewährten Attribute von den bereits entdeutschten Menschen verlacht oder auf die 12jährige unglückseelige Geschichte reduziert.
So ein Quatsch! Du scheinst nicht entdeutscht zu sein, sondern enthirnt. Und an der Marne, an der Somme, vor Verdun und in Stalingrad sind Deine Paradedeutschen entblutet.
Warum sollte ich auf Deutschland stolz sein? Habe ich irgendeine Anstrengung vollbracht, die mir als Lohn einbrachte, in dieser geographisch-politischen Raumzeitstelle geboren werden zu dürfen? Nein.
Hat irgendeiner, den man deutsch nennt, etwas dafür getan? Nein.
Ist die Tatsache, deutsch zu sein, also mit irgend einer Leistung verbunden? Nein, sie ist im wahrsten Sinne rein zufällig.
Wäre ich ein schlechterer Mensch, wenn ich nicht deutsch, sondern meinetwegen Franzose wäre? Natürlich nicht.
Wenn irgendeine/r, die/den man deutsch nennt, eine Leistung erbringt, meinetwegen mit einem Stoffetzen in einem ausländischen Stadion rumwedelt oder ein Rundes in ein Eckiges klatscht, ist das ein Grund, daß 83 Millionen Menschen besoffen davon werden? Was haben sie denn dazu getan? Nichts, und sie haben keinen wahren Grund.
Und wie ist es mit anderen Leistungen? Muß ich auf Deutschland stolz sein, weil Kant ein Deutscher war? War Kant nur Kant, weil er Deutscher war? Nein, die Tatsache, daß er und ich beide deutsch genannt werden, ist, wie schon erwiesen, rein zufällig.
Kann ich stolz auf Kant sein, ohne auf Deutschland stolz zu sein? Natürlich. Ich kann sogar, wenn ich auf Kant stolz sein will, auf Deutschland gar nicht stolz sein. Denn Kant setzt Descartes, Voltaire, Montaigne und unzählige andere Philosophen voraus, die nicht deutsch waren.
Worauf bin ich also stolz, wenn ich auf Kant stolz bin? Ich bin stolz darauf, daß ich zu einer Kultur gehöre, die eben nicht kleinteilig begrenzt ist, sondern umfassend, in der Kant und Montaigne, Marx und Spinoza, Mendelsohn und Montesquieu, Goethe und Shakespeare, Lessing und Moliere, Beethoven, Vivaldi und Luigi Nono Platz haben. Ich nenne diese umfassende Kultur die abendländische.
Bin ich stolz auf die abendländische Kultur? Nein, das nenne ich nicht Stolz. Ich gehöre zu ihr, ich lebe in ihr und aus ihr, ich bin ein Teil von ihr, und sie macht meine Identität aus. Man ist nicht stolz auf die Luft, die man atmet, sondern man atmet sie.
Bin ich denn nicht wenigstens stolz, wenn ich die abendländische Kultur gegen die morgenländische setze? Nein, die Frage stellt sich nicht. Ich kenne die eine, die andere nicht. Wie kann ich da stolz sein, vor allem weil weder der Perser noch ich uns unsere Kultur ausgesucht haben?