Nö, Tafkas.
Allenfalls: tu nicht paniken - oder auch: fang chetz nich am pahnicken an, wollnich!?
Deutsch ist derzeit NICHT in der Funktion einer lingua franca, sondern Englisch. Insofern ist es völlig normal, das weit mehr Wendungen und Begriffe aus dem Englischen ihren Weg in andere Sprachen finden als das umgekehrt der Fall ist (allerdings kann sich eine lingua franca, wenn sie lange genug in dieser Funktion von Fremdsprachlern unterschiedlichster sprachlicher Herkunft genutzt wird, selbst weit von ihrem Ursprung entfernen und sich zu einer Art eigenständiger Sprache entwickeln; Beispiel hierfür bietet u.a. das Lateinische, welches, nach dem Untergang des römischen Reichs, nach und nach als Muttersprache ausgestorben bzw. in verschiedenen anderen Sprachen weiterentwickelt und - geführt (Italienisch, Französisch, Spanisch usw.) in seinen späteren Verwendungsformen mit dem klassischen Latein, wie es noch heute in den Schulen gelehrt wird, auch nicht mehr viel zu tun hatte.
Gerade die spezifische Neigung des Deutschen, Fremdwörter kurzerhand der eigenen Flexion zu unterwerfen, macht es zu einer Sprache, die kaum Gefahr läuft, auszusterben. Schon gar nicht in Folge kurzzeitiger Moden (und da kann man durchaus beobachten, daß das Denglisieren an Popularität in den letzten 10 Jahren deutlich verloren hat). Es besteht wirklich kein Anlaß zur Sorge, zumindest nicht akut; inwiefern grundsätzlich - allerdings sprechen wir da über Zeiträume, die weit jenseits der menschlichen Vorstellungskraft liegen - die Tendenz besteht, daß sich Sprache vereinheitlicht, ist in der Forschung umstritten. Klar ist, daß es eine gewisse Gesetzmäßigkeit gibt, nach der Standardsprachen regionale Dialekte und Akzente nach und nach verdrängen, und zwar immer dann, wenn deren Gebrauch nicht mehr sinnvoll ist (weil, zum Beispiel, die Anzahl der aktiven Sprecher schwindet und sich alltägliche Sprechakte in der jeweiligen Standardsprache einfacher und zuverlässiger vollziehen lassen als im Dialekt. Oder weil die Anwendung einer sprachlichen Varietät negativ konnotiert ist - das gilt insbesondere für alle Arten von Soziolekten und für solche Dialekte, bei denen den Sprechern bestimmte - negative - Eigenschaften zugeschrieben werden).
Ob dieses innersprachliche Muster auch auf das Verhältnis verschiedener Sprachen untereinander zutrifft, ist, wie gesagt, umstritten. Problematisch ist bei der Einschätzung vor allem auch, welche Faktoren bei der Verdrängung von Sprachen durch andere Sprachen eine Rolle spielen. Da es grundsätzlich in der Natur des Menschen liegt, mit anderen Menschen zu kommunizieren, spricht einiges dafür, daß dieser Mechanismus auch auf unterschiedliche Sprachen zutrifft, es also einen gewissen Drang zu einer globalen Standardsprache gibt. Allerdings wird niemand eine seriöse Prognose darüber abgeben wollen, ob es jemals eine solche Universalsprache geben wird - und aus welchen Anteilen welcher Sprachen sie sich zusammensetzen könnte (es ist schlicht schwer vorstellbar, daß aus dem Englischen mit seinen unzähligen Varianten und dem Chinesischen mit seinen ebenfalls zahllosen Varianten, zusätzlich noch aus diversen anderen Sprachen mit jeweils Millionen von Sprechern jemals eine homogene Sprache entstehen könnte, was eben nicht heißt, daß das GRUNDSÄTZLICH unmöglich wäre). Geschweige denn, wie viele Jahrtausende dieser Prozeß der Vereinheitlichung gegebenenfalls in Anspruch nähme und welche Kräfte ihn steuern könnten (und zwar in Richtung der Vereinheitlichung ebenso wie in die Richtung der Separation).
Das Deutsche enthält eine Unmenge von Wörtern, die ursprünglich aus anderen Sprachen stammen, jedoch schlicht dem deutschen Wortschatz einverleibt worden und als Fremdwörter nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar sind. Der Rest der deutschen Sprache setzt sich aus den verschiedensten deutschen Sprachen zusammen, hat althochdeutsche, altniederdeutsche, fränkische, alemannische, gotische Wurzeln.
Die überwältigende Mehrheit der deutschen Muttersprachler im Jahre des Herren 2017 wird nicht in der Lage sein, einen mittelhochdeutschen Text auch nur annähernd lesen und verstehen zu können. Allenfalls wird einem gewissen Anteil bewußt sein, daß es sich irgendwie um eine Art Deutsch zu handeln scheint. Könnte aber vielleicht auch Holländisch sein, oder Dänisch, oder so... Noch finsterer sieht die Bilanz aus, wenn ein moderner neuhochdeutscher Sprecher einen mittelhochdeutschen Text HÖREN und VERSTEHEN soll: da werden selbst die meisten Germanisten scheitern.
Zwischen unserem aktuellen Deutsch und dem Mittelhochdeutschen liegen (die Übergänge sind natürlich fließend) rund 500 Jahre sprachlicher Entwicklung, inklusive massiver Beeinflußung von außen (z.B. durch das Französische). BEIDES ist DEUTSCH. Aber weder könnte ein moderner Sprecher einen Sprecher des Jahres 1517 verstehen, noch könnte ein deutscher Muttersprachler aus dem Jahr 1517 einen deutschen Muttersprachler des Jahres 2017 verstehen. Die beiden hätten noch am ehesten eine Chance, sich zu verständigen, wenn beide des Lateinischen oder des Altgriechischen mächtig wären... Die Anzahl der in Frage kommenden Sprecher wäre auf beiden Seiten äußerst überschaubar.
Will heißen: Sprachen sind nichts Statisches. Sie unterliegen den verschiedensten Einflüssen (auch dem durch ANDERE Sprachen, aber eben nur: AUCH!!!). Sie entwickeln sich weiter, sie bilden an der einen Stelle Varianten aus, sie vereinheitlichen sich an anderer. Manche sterben auch irgendwann aus, aus den verschiedensten Gründen. Aber KEINE Sprache stirbt aus, ohne ihre Spuren in einer anderen Sprache hinterlassen oder sich entweder zu ihrem eigenen Nachkommen oder zu einer neuen Sprache entwickelt zu haben.
Aktuell, jedenfalls, besteht für das Deutsche keine Gefahr, am allerwenigsten durch den Einfluß des Englischen (es ist schlicht so, daß: "download", Verb: "to load down" ein englischer Ausdruck ist, "Download", Verb: "downloaden" hingegen dessen deutsche Variante, mithin: ein deutsches Wort GEWORDEN ist).
Wenn Integration überall so funktionierte wie in Sprachen, die Welt wäre ein friedlicher, man könnte sogar sagen: ein idyllischer Ort...
Gruß -
Bendert
P.S.: Der Theorie über die Entwicklung einer Universalsprache steht übrigens die Theorie einer universellen Ursprache entgegen... Oder steht sie ihr zur Seite? In diesem Falle, allderings, wäre Denglisch nichts anderes als der Ausdruck einer sprachlichen Wanderung back to the roots, sozusagen... ;-)