Wenn das so wäre, dann frage ich mich wieso der Osten in den Westen flüchtet. Offenbar ist es halt schon angenehm, wenn die Regale voll sind und man seine Meinung äußern kann ohne bespitzelt zu werden.
BG, New York
Ich würde beides sogar als Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenlebens bezeichnen. Genügende Warenproduktion muss klappen und die Freiheit zur Kritik an Widersprüchen gegeben sein. Auch im Sozialismus politisch Herrschende oder Verantwortungsträger müssen Hinterfragung ertragen, sich der Kritik stellen.
Man hat da sehr viel Angst gehabt, die "Feinde der revolutionierten Verhältnisse" könnten damit zu viel Einfluss gewinnen. Wenn man jedoch mit Unterdrückung, Bespitzelung und unfreien Gesellschaftsverhältnissen agiert, dann schafft man sich erst recht Abneigung und Feinde in der Fläche.
Trotz dieser grundsätzlichen Überlegung fällt es mir schwer, den Erbauern des Realsozialismus nachträglich Vorwürfe zu machen. Im internationalen Klassenkampf waren sie auch immer Getriebene / Reagierende.
Sich als Sozialismus zu verteidigen hieß immer, rationale Maßnahmen einzuleiten, die nicht ursprüngliches Ziel des gesellschaftlichen Ideals sind. Kein realsozialistischer Staat hatte z.B. wirklich Interesse am Verschleudern der Milliarden für aufgezwungene Hochrüstung.
Mal ein Beispiel der ideologischen Diversion gegen die DDR: Zahlreiche West-Radio-Sender haben in der wirtschaftlichen Aufbauphase gezielt Falschmeldungen zu angeblichen Enpässen bestimmter existentiell wichtiger Waren gesendet. Reine Erfindungen aber mit dem Effekt, dass durch sofort einsetzende Hortung (der Mensch ist so) tatsächlich Enpässe entstanden und dann wiederum Liefernot & Frust in der Bevölkerung die Folge war.
Kann man den Organen in der DDR wirklich vorwerfen, dass sie u.a. deshalb sowohl Störsignale gegen diese Sender ausstrahlten, die Verbreitung der Kalten-Kriegs-Lügenmedien des Westens einschränkten, als auch gegen Querulanten im Inneren ähnlicher Absicht und Tendenz vorgingen?
Die Sache ist also nicht so einfach. Im Nachhinein durch die Erfahrungen in der DDR erlaube ich mir aber besserwisserisch mehr Kritik konstruktiver Art zu wünschen. Es schadet der Gesellschaft nicht, wenn die inneren wirtschaftlichen und sozialen Probleme genannt werden, es schadet nicht, Vorschläge zu Verbesserung einzusammeln, es schadet auch nicht, Ventile in der Künstlerszene verfolgungsfrei zu halten, selbst dann, wenn sie offensichtlich niedere Beweggründe, wie z.B. dieser Biermann haben.
Wenn man diese Diskussion vertieft, landet man automatisch bei der Notwendigkeit besserer demokratischerer Einflussnahme. Besserer, als es die bürgerliche Parlamentarie bietet. Man muss also über DD (Direkte Demokratie) reden, man muss über die Absetzbarkeit sich kristallisierend Unfähiger reden, über gesellschaftliche Kontrollmöglichkeiten politischen Klüngels, über regionale Einspruchsoptionen gegen Staat usw.
Das alles ist nicht nur im Realsozialismus vonnöten, sondern auch in jetziger Gesellschaft. Es lohnt auch hier, um neuartige Prinzipien zu kämpfen.