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"Brünings Sparpolitik" - war er der Totengräber der Weimarer Republik?

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"Brünings Sparpolitik" - war er der Totengräber der Weimarer Republik?

Vor langer Zeit habe ich ein Buch gelesen, wo es hieß, dass das Chaos und Elend der Weimarer Republik für den Aufstieg Hitlers verantwortlich waren. "In normalen Zeiten bleiben solche Leute nur Hinterzimmerdemagogen", stand da sinngemäß. Stimmt und diejenigen, die heute gern einen Hitler hätten, sind das beste Beispiel. So lange sich der Frust in Grenzen hält, haben die keine Chance. Das war auch in der Weimarer Republik so: vor der Weltwirtschaftskrisen war die NSDAP eine Kleinpartei und Hitler selbst wusste, dass nur eine Krisen ihm den Boden bereiten kann.

Die Krise bekam der A. H. dann 1929 und für jenen Frust, der Menschen anfällig für Extremismus macht und sie auf den Erlösen hoffen lässt, sorgte einer, der immer als letztes Bollwerk der Weimarer Demokratie gefeiert wird: Reichskanzler Heinrich Brüning.
Vor einigen Jahren warf Oskar Lafontaine dem Gerd Schröder vor, mit seiner Politik dem unseligen Beispiel von Brünings "Sparpolitik" zu folgen. Über die steht im Internet:

Brüning betrieb eine strenge Sparpolitik, um die Finanzen zu sanieren. Er reduzierte Löhne und Gehälter, erhob neue Steuern. Als Folge stellten einzelne Banken ihre Zahlungen ein. Um den Young-Plan nachzukommen, gab er auch keine Kredite für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Er wollte der Welt mit seinem Sparkurs demonstrieren, dass das Land nicht in der Lage sei, die Reparationen weiter zu zahlen. Sein weiteres Ziel war es, die Wirtschaftskrise durchzustehen, dann sollte man an den Wiederaufbau gehen. Mit seinem Sparkurs bezweckte er, dass deutsche Waren im Ausland billiger angeboten werden konnten. Doch Amerika und England senkten ebenfalls die Preise.

1931 scheiterte die Zollunion mit Österreich, ausländisches Kapital floss aus Deutschland als Folge ab. Die Banken gerieten in Schwierigkeiten. Es gelang Brüning im Juli 1931, den US-Präsidenten Hoover zu einem Zahlungsmoratorium für die Reparationen zu überzeugen.

Brüning fand in Hindenburg immer weniger Unterstützung, dem ein reines Rechtskabinett vorschwebte.
Inzwischen gab es in Deutschland sechs Millionen Arbeitslose. Doch Brüning glaubte an den Erfolg seines Programmes, und er beschwor den greisen Reichspräsidenten, “ nicht den schwersten politischen Fehler zu machen, den es zu machen irgendjemand im Augenblick in der Lage wäre ...und nicht die Ruhe zu verlieren” (aus: Die großen Deutschen unserer Epoche, S. 290). Am 30. Mai 1932 trat Brüning mit seinem Kabinett zurück.

Quelle http://www.meinebibliothek.de/Texte/html/bruening.html

Zum Vergleich von Schröder mit Brüning steht auf Spiegel-Online:

In seinem Beitrag für die "Bild"-Zeitung schreibt Lafontaine, Gewerkschaften und SPD-Basis müssten Kanzler Schröder zwingen, vom eingeschlagenen Weg einer strikten Sparpolitik abzukehren: "Wenn sich nichts ändert, haben wir bald fallende Preise und eine todkranke Wirtschaft, SPD-Basis und Gewerkschaft müssen die Regierung zum Kurswechsel zwingen."

(...)

Staat und Tarifparteien müssten nach Lafontaines Ansicht dafür sorgen, dass Geld ausgegeben werde. Nur so lasse sich die deutsche Wirtschaft wieder ankurbeln. Andernfalls drohten Deutschland Verhältnisse wie zum Ende der Weimarer Republik, so Lafontaine: "Es ist so, als wäre Heinrich Brüning wiederauferstanden, jener Reichskanzler, der mit seiner Sparpolitik Massenarbeitslosigkeit verursachte und Hitler den Weg bereitete. Wie damals sind heute die Menschen verunsichert."

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,223229,00.html

Lafontaine ist nicht der Einzige, der Brünings Sparpolitik für ein abschreckendes Beispiel hält:

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte gesagt, in einigen Branchen wäre es wegen der massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt, die Tariflöhne zu senken.

Hundts Lohnsenkungsidee gehöre zu den "unsinnigen Vorschlägen", meinte Bofinger. "Herr Hundt sollte sich anschauen, wie die Krise 1930 in Deutschland bekämpft wurde: Mit Brünings Sparpolitik und Lohnsenkungen." Die Löhne für Facharbeiter seien damals um 20 Prozent gesenkt worden. "Das Ergebnis dieser Politik ist bekannt", sagte Bofinger. "Deutschland in den 30er Jahren ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie man es nicht machen sollte", warnte das Mitglied im Wirtschaftsrat der Bundesregierung.

Quelle: http://www.ftd.de/politik/deutschla...bofinger-warnt-vor-lohnkuerzungen/548254.html

Alldiweil schon die "goldenen zwanziger Jahre" für viele Menschen in Deutschland nicht so goldig waren, wurde die Weltwirtschaftskrise zur Katastrophe:

Zwischen September 1929 und Anfang 1933 stieg die Zahl der Erwerbslosen in Deutschland von 1,3 auf über sechs Millionen. Das Realeinkommen sank um ein Drittel, Armut und Kriminalität nahmen sprunghaft zu. Massenverelendung kennzeichnete in der Wirtschaftskrise das Alltagsleben breiter Bevölkerungsschichten. (...) Für ältere Menschen bestand keinerlei Hoffnung auf eine Anstellung. Auch jüngere Arbeitslose mußten jede Chance eines kleinen Verdiensts ergreifen, um dem gefürchteten sozialen Abstieg und der Obdachlosigkeit zu entgehen. Viele Menschen erkannten nur im Freitod einen Ausweg aus ihrer existenziellen Not. Andere versuchten durch Heimarbeit, Hausieren und Tauschgeschäfte, den täglichen Überlebenskampf zu gewinnen oder zogen als Straßenmusikanten von Haus zu Haus. Für unzählige Frauen war Prostitution der letzte Ausweg.

Quelle: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/industrie/wirtschaftskrise/index.html

Der Sozialabbau unserer Tage hat nicht nur einen schlimmeren Vorläufer in Brünings Politik, auch das Wort selbst wurde damals geprägt. Auch die Diffamierung berufstätiger Frauen als "Doppelverdiener" stammt aus den Tagen des Heinrich Brünings:

Reichskanzler Heinrich Brüning erließ drastische Notverordnungen: Erhöhung der Einkommens-, Tabak- und Ledigensteuer. Erhebung einer Bier- und Bürgersteuer. Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge bei gleichzeitiger Kürzung der Arbeitslosenunterstützung. Mit Brünings Sparmaßnahmen war die Zeit der bis dahin eher arbeitnehmerfreundlichen Politik vorbei. Der Staat drückte im öffentlichen Dienst die Gehälter sogar um bis zu einem Viertel.


O-Ton: Albrecht Ritschl, Historiker
"Es wurde also in ganz scharfer Weise in das soziale Netz eingeschnitten. Aus der Zeit stammt auch das Wort Sozialabbau."

So wurde die Arbeitslosenunterstützung zum Teil nur noch fünf Monate lang gezahlt. Danach gab es die so genannte Krisenunterstützung. Diese war zeitlich begrenzt und die Bedürftigkeit musste nachgewiesen werden.

Weibliche Beamte mussten ihren Arbeitsplatz räumen, wenn ihre Männer Arbeit hatten, so forderte es ein weiteres Gesetz. Eine Anti-Doppelverdienerkampagne fand in den höchsten Politikkreisen Unterstützung.


O-Ton Paul Löbe, SPD, Reichstagspräsident 1920 bis Juli 1932
"Weiter muss mit den Doppelverdienern wenigstens vorübergehend aufgeräumt werden. Es geht nicht, dass derjenige der Pensionen, Wartegelder und dergleichen bezieht, noch außerdem dem übrigen Teil des Volkes Arbeitsplätze wegnimmt."

In Städten und Gemeinden wurde die sogenannte Notstandsarbeit eingeführt, wie etwa Straßenbau, Friedhofs- und Reinigungsarbeiten. Deren Kosten wurden den Gemeinden zum Teil vom Staat erstattet. Während ein einfacher Arbeiter in der Woche etwa 30 Mark verdiente, bekam ein Arbeitsloser 1932 aus der Wohlfahrtsunterstützung nur einen Bruchteil. Mit weniger als fünf Mark die Woche mußte Helmut Schmieder aus dem Erzgebirge auskommen.


O-Ton: Helmut Schmieder
"Vier Mark und achtzig Pfennige hatte ich die Woche. Drei Mark hab ich meiner Mutter gegeben, wir sagen Kostgeld, eine 1,80 Mark hatte ich noch übrig. 45 Pfennige kam das Kino, für Arbeitslose. Sie mussten aber auch Mal ein paar Hosen kaufen oder paar Schuhe. Ein paar Hosen kamen auch zehn, zwölf Mark. Und ein paar Schuhe. Ich geh mal von Eppendorf aus, Schuhfabrik, zehn, fünfzehn Mark ein Paar Halbschuhe kamen auch."

(...) Der Staat erließ eine weitere Notverordnung, woraufhin Unternehmen die Löhne der Beschäftigten um bis zu 50 Prozent kürzen konnten(...)

Quelle: http://www.mdr.de/fakt/3244295.html

In den einschlägigen Diskursen heißt es, dass das Elend der Weltwirtschaftkrise den "republikfeindlichen Extremisten" den Weg bereitet hat. Wie das funktionierte, belegt eindrucksvoll dieses Wahlplakat:



Quelle: http://www.geschichteinchronologie....im-rep-unsere-letzte-hoffnung-Hitler-1932.jpg

Wessen letzte Hoffnung der A. H. war, zeigt allerdings dieses Bild:



Quelle: http://www.studium.iar.unicamp.br/12/heartfield/images/heart04.jpg

Wenn wir die Worte des eher konservativen Autors bedenken, denen zufolge Leute wie Hitler es aus eigener Kraft nur zu kleinen Demagogen im Hinterzimmer bringen, muss man Reichtskanzler Heinrich Brüning und seine "Sparpolitik" zu dem zählen, was den A. H. erst groß gemacht haben.

Auf Wikipedia steht ein vernichtendes Resümee von Brünings Politik:

Wie schon in mehreren Privatgesprächen, die er nach seinem Sturz unter anderem mit Harry Graf Kessler, Winston Churchill oder dem späteren Hindenburg-Biographen John Wheeler-Bennett führte, stilisierte er sich hier als kühlen Strategen mit klarem, weitsichtigem Plan, wie Deutschland vor dem Nationalsozialismus hätte bewahrt werden können: Angeblich habe er zielgenau die Streichung der Reparationen, die militärische Gleichberechtigung und anschließend die Wiedereinführung der Monarchie angestrebt, die den Rechtstrend der Bevölkerung aufgefangen und von Hitler abgelenkt hätte. Nur habe leider General Schleicher diesen Plan nicht verstanden und mit seinen Intrigen alles verdorben. Diese Thesen stießen bei seinen ehemaligen Mitarbeitern wie Hans Schäffer oder Graf Schwerin-Krosigk auf Unverständnis – als Monarchisten hatte keiner von ihnen Brüning kennen gelernt.[16] Tatsächlich wird Brünings angebliche langfristige Strategie in der neueren Forschung als nachträgliche Selbstrechtfertigung eines gescheiterten Politikers angesehen, der die Ursache für seinen Misserfolg nicht im eigenen Versagen oder in den widrigen Umständen erkennt, sondern in den Intrigen eines persönlichen Gegners.[17

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Brüning#Exil.2C_R.C3.BCckkehr_und_Memoiren
 

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