Naja, aus meiner Sicht hast du im Prinzip recht, aber zusammenbrechen wird die EU trotzdem, vielleicht nicht von innen heraus, aber als Folge des kompletten Kollapses der Weltwirtschaft, der u.a. auch von der EU verursacht wird.
Innerhalb der EU haben wir schon den Effekt, dass Staaten mit Exportüberschuss den anderen Staaten die Arbeitsplätze wegnehmen, wobei die Löhne der Jobs in den Überschuss-Staaten immer weiter hinter der Inflation hinterher hinken und die Defizit-Staaten immer mehr Arbeitslose haben.
Auf globaler Ebene gibt es diesen Effekt genauso, nur noch viel extremer.
Früher mal war Bangladesch das Zentrum der Welt für die Produktion von Bekleidung, heute verschiebt sich dies immer weiter nach Äthiopien, weil selbst $1 pro Tag was die Näherinnen in Bangladesch verdienen den Kapitalisten noch zu hoch ist und die Löhne in Äthiopien bei $0,50 pro Tag liegen.
Als Folge davon sinkt in Äthiopien die Arbeitslosigkeit und in Bangladesch steigt sie, aber wozu soll das gut sein?
Wie logisch kann es sein, dass wenn man die Löhne die für die Produktion von Kleidung bezahlt werden halbiert, dann auf lange Sicht weltweit nur noch halb so viel Kaufkraft existiert um diese Kleidung zu kaufen?
Das ist das bekannte, in englisch sehr treffend genannte "race to the bottom", zu deutsch also so viel wie "Wettrennen nach unten", was überhaupt nicht anders enden kann als im vollständigen Kollaps der Weltwirtschaft, spätestens dann wenn die Löhne bei NULL ankommen und dann genau NULL Kaufkraft genau NULL Produkte kaufen kann (in der Praxis natürlich deutlich viel früher) und da ist die EU nun mal ein Teil davon, weil die EU einer der grössten Treiber der Entwicklung von immer niedrigeren Reallöhnen für immer mehr Produktion ist.
Unsere Wirtschaftsminister (egal von welcher Partei sie kommen) nennen das "Wirtschaft ankurbeln", faktisch müsste es "Weltwirtschaft abwürgen" genannt werden.
Das ist irgendwie die typisch marxistische Sicht der Dinge, die nur seit mehr als hundert Jahren so nicht funktionieren will.
Es ist doch so, wenn du nichts zu bieten hast, dann fang mit einfacher Tätigkeit an, die du billiger als alle anderen anbietest. So hat Deutschland gegen England angefangen, später galt Japan als Billig-Paradies, dann Taiwan, dann die Tigerstaaten, dann China, inzwischen Indien, und langsam ist mit Äthiopien endlich mal ein Land in Afrika soweit, das auch zu können und sich trotzdem noch zu lohnen.
Keines dieser Länder ist daran eingegangen, dass es als Billig-Paradies von einem anderen Land abgelöst wurde. Vielmehr sind die Billigländer selbst zu Hochlohnländern und Qualitätsgaranten geworden, für die man gern auch mehr zahlt. Es gibt nicht nur den Konkurrentzkampf um das Billigste. Wärs so, gäbs nur eine Sorte Auto.
Wann immer ich davon lese, dass die EU zusammenbrechen soll, denke ich: das gleiche hat man über den Kapitalismus gesagt. Das Gleiche hat man über Deutschland gesagt, kurz nachdem das Deutsche Reich gegründet wurde. Man hat sich an den Unterschieden und der furchtbaren Bürokratie, wo vieles noch gegeneinander arbeitet, aufgezogen, und völlig übersehen, dass man diese Probleme nicht nur lösen kann, sondern auch will.
Egal wieviele Unkenrufe es hier gibt: die EU
will sein ! Und das ist wichtig. Es gibt keine Traktorenproteste in Brüssel, keine EU-Flaggenverbrennungen in Madrid oder Warschau, auch nicht in Budapest. Daran ändert auch nichts dass Grossbritannien draussen ist - die Stimmen, die das bedauern und mit einen Wiedereintritt in die EU liebäugeln, werden immer lauter. Ich höre nichts von Ländern, die rauswollen, auch das stark gebeutelte Griechenland will das nicht, aber viele wollen rein.
Viele übersehen, dass die ausgezeichnete Infrastruktur Europas allein schon Grund genug ist, um ein Maß an Flexibilität zu garantieren, bei dem andere kaum mitkommen. Europa hat noch gar nicht mal die Projekte in Angriff genommen, bei denen sie sich übernehmen könnten - das Meiste, wie Staudämme, Hochgeschwindigkeitsstrecken, Kanäle, Tunnel, modernisierte Häfen usw. haben sie schon und müssen sie nur gegebenenfalls erweitern. Die Rüstungsindustrie ist schon autark. Soziale Probleme in Europa sind nichts im Vergelich zu dem, was man in Amerika oder China ausgesetzt ist.
Es ist typisch, dass man immer von "Zusammenbruch" oder "Verfall" redet, wenn die Erwartungen mal nicht erfüllt werden. Die EU hat noch gar nicht richtig angefangen.