Autoantrieb Warum der Verbrennungsmotor schneller am Ende ist, als viele denken
Deutschland soll bis 2045 treibhausgasneutral werden und seine Emissionen bis 2030 erheblich senken. Dieses Vorhaben dürfte den Abschied vom Verbrennungsmotor beschleunigen – und das ist nicht alles.
Von
Emil Nefzger und
Nils-Viktor Sorge
14.06.2021, 10.26 Uhr
Verschrottete Autos: Kommt das Ende des Verbrennungsmotors schneller als gedacht? (Symbolbild)
Foto: stockstudioX / iStockphoto / Getty Images
Diesel, Benz, Käfer und auch Trabant – der Personenkraftwagen mit Verbrennungsmotor ist ein wichtiger Bestandteil deutschen Selbstbewusstseins. Er ist Sinnbild für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, die Freiheit, einfach einzusteigen und loszufahren – und Gegenstand hitziger Diskussionen. Egal ob
Tempolimit, Diesel-Fahrverbote oder
der Wegfall von Pkw-Fahrstreifen zugunsten des Radverkehrs, fast jeder Bürger hat eine Meinung zum Pkw. Und diese Diskussion dürfte in den nächsten Jahren noch hitziger werden.
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Denn der Abschied vom Verbrenner hat bereits begonnen. Zwar hat
Deutschland – immerhin Europameister in der Autoproduktion – kein festes Ausstiegsdatum für Diesel und Benziner. Doch kein Sektor hat beim Klimaschutz
mehr Nachholbedarf als der Verkehr. 2020 fielen hier 146 Millionen Tonnen CO₂ an, dieser Wert soll dem Entwurf für
das neue Klimaschutzgesetz zufolge bis 2030 um 43 Prozent sinken. 2045 sollen die deutschen Treibhausgasemissionen auf null sinken.
Verbrenner nur noch als Liebhaberobjekt
Das Gesetz könnte für ein baldiges Ende für Neuzulassungen von Pkw mit Benzin- oder Dieselmotoren sorgen – und den ohnehin schon vorhandenen Elektroboom weiter befeuern. Denn die Lebensdauer eines durchschnittlichen Pkw liege in Deutschland bei rund 15 Jahren, erklärt Jens Burchardt, Klimaexperte bei der Boston Consulting Group (BCG). »Wenn man 2045 einen CO2-neutralen Fahrzeugbestand braucht, müssen deswegen schon 2030 Neuwagen im Wesentlichen vollelektrifiziert sein, von einzelnen Liebhaberfahrzeugen vielleicht abgesehen«, so Burchardt.
Von Ausnahmen wie dem
Porsche 911 oder Supersportwagen von
Ferrari wäre der Verbrenner dann bereits in neun Jahren bei Neuwagen Geschichte. Und das ganz ohne offiziell verkündetes Ausstiegsdatum, wie es andere Länder bereits beschlossen haben. So hat beispielsweise
Spanien, bei der Zahl produzierter Autos immerhin Europas Nummer zwei, Benziner und Diesel mit einem Ablaufdatum versehen, ab 2050 sollen Verbrenner dort
nicht mehr fahren dürfen.
Zeitraum bis 2030 wird zum Problem
Deutschland wählt dagegen einen leisen Abschied ohne Termin. Auch die Umweltorganisation Transport & Environment sieht im Gesetz den letzten Sargnagel für Benziner und Diesel, erklärt Deutschland-Direktor Stef Cornelis. »Das neue Klimagesetz bedeutet in der Theorie einen Verbrennerausstieg spätestens 2035, eher früher.«
Die tatsächliche Herausforderung ist jedoch nicht das Verfallsdatum, sondern der Weg dahin. Und der beginnt in der Produktplanung der Autoindustrie spätestens jetzt – mit allen Unsicherheiten über die beste Alternative zu Diesel- und Ottomotoren.
Kein festes, finales Enddatum für den Verbrennungsmotor ergibt sich auch für Eric Heymann, Ökonom bei der Deutschen Bank, aus den neuen Klimazielen. »In zehn Jahren könnte sich abzeichnen, ob man ihn im Pkw-Bereich noch braucht und für welche Anwendungen«, so Heymann.
Viel bedeutender seien Einschnitte in der nahen Zukunft. »Es geht weniger um Einschränkungen im Jahr 2045, sondern schon bis zum Jahr 2030«, so Heymann. Um die Ziele zu erreichen, warnt der Ökonom, »müsste der Staat individuelle Mobilität stark verteuern oder mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen massiv einschränken.«
E-Autos allein reichen nicht
Denn das Ziel, die Emissionen in diesem Sektor um 43 Prozent zu senken, ist ambitioniert. »Die neuen Klimaziele bedeuten, dass die CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge bis 2030 um mindestens 50 Prozent sinken müssen«, rechnet Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung vor. Dazu sollte der Schienenverkehr massiv gefördert werden, die Ladeinfrastruktur ausgebaut aber auch die Digitalisierung vorangebracht werden. Gleichzeitig müsse die Anzahl der Autos in Städten erheblich verringert und der Autoverkehr insgesamt stärker vermieden oder auf die Schiene verlagert werden.
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Um derartige Eingriffe in die Mobilität der Menschen abzuschwächen, müssten noch schneller noch viel mehr E-Autos auf die Straßen kommen. Selbst wenn bereits 2025 mehr als die Hälfte der Neuzulassungen elektrisch fahre und die Neufahrzeugflotte in 2030 sehr weitgehend elektrifiziert wäre, »würde das immer noch nicht ausreichen, um das neue Sektorziel für 2030 zu erreichen«, sagt BCG-Experte Burchardt. Denn die derzeit umherfahrenden Diesel und Benziner verschwinden bis dahin kaum, im Gegenteil – der Durchschnitts-Pkw wird hierzulande
immer älter.
Batterieauto nicht mehr aufzuhalten
Bisher gibt es aber keine Produktion von E-Fuels in großem Stil, erst Mitte des Jahrzehnts starten größere Projekte – und auch die Herkunft
des nötigen CO₂ ist umstritten. Zwar gilt das Abscheiden von CO₂ aus der Luft als klimafreundliche Option, Kohlenstoff für E-Fuels zu gewinnen, es verschlingt aber viel Energie. Gleichzeitig seien sie keine Alternative zur Elektrifizierung, warnt BCG-Experte Burchardt. »Wir brauchen sie aber, um bei den CO2-Emissionen im Transportsektor auf null zu kommen.« Das gelte ohnehin für Flugzeuge und Schiffe, aber auch für die verbliebenen Verbrenner im Fahrzeugbestand, wenn man die bis 2045 nicht einfach enteignen wolle.
Nicht mehr aufzuhalten zu sein scheint derweil das Batterieauto.
Die Brennstoffzelle, neben den E-Fuels ein weiterer Hoffnungsträger von Batterieskeptikern, kann hier offenbar nicht mehr dazwischenfunken.
So rechnet BCG-Experte Burchardt damit, dass sich das Batterieauto unabhängig vom regulatorischen Ansatz durchsetzt....
https://www.spiegel.de/auto/elektro...enners-a-a7960026-0acd-48af-b0a0-44337f5713ee