Kritik zu Gerhard Bott: „Die Erfindung der Götter“, Teil 3
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Dazu schieb die bekannte Feministin und Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth in ihrer in MatriaVal veröffentlichten
"Kritik zu Gerhard Bott: „Die Erfindung der Götter“
Matriarchale Altsteinzeit - patriarchale Jungsteinzeit?
Kritische Bemerkungen zur neuesten Ideologie"
in ihrer ironischen Art:
>> ... Seine Belegsituation für die Altsteinzeit geriet dabei völlig aus dem Ruder. Der schöne Traum von der matriarchalen (matrifokalen, matrivivialen usw.) Altsteinzeit – Fehlanzeige!
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Entschuldigung, dass es mit dem dritten Teil so lange gedauert hat, dieser Thread war ja geradezu in Vergessenheit geraten und ist mir erst jetzt wieder durch einen anderen Verweis auf Heide Göttner-Abendroth erinnerlich geworden - Sorry, aber "was lange währt, wird endlich gut" (oder so)
Hier nun doch noch der Schlussabschnitt, wie sich die "angebliche" Autorin
Heide Göttner-Abendroth mit ihrer Kritik "die Blöße gibt":
>>
Spannend wurde es hingegen bei der Frage nach dem Aufkommen von „Gewalt“ ab 5.600-5.400 vor u.Z. bei den von Südosten her eindringenden Bandkeramikern, diesen Rinderbauern, die höchstwahrscheinlich matriarchal organisiert waren (Langhäuser für Sippenverbände). Sie brachten die jungsteinzeitliche Entwicklung aus Westasien nach Europa und übten angeblich notorisch Gewalt aus. Wie sehen dafür die archäologischen Belege aus?
Wir haben aus Deutschland bisher zwei Beispiele (Ofnet-Höhle und Thalheim), in anderen europäischen Ländern gibt es auch ein paar davon. Dabei wurden einige Menschen mit Äxten erschlagen, wobei nicht klar ist, wer wen tötete: Erschlugen die neu angekommenen, matriarchalen Rinderbauern die mutterzentrierten, einheimischen Wildbeuter/innen, oder umgekehrt? Es drang ja eine neue Lebensweise ein, die vielleicht nicht gleich erwünscht war. Es liegt also nur eine Handvoll Beispiele dieser Art für einen Zeitraum von zwei Jahrhunderten Einwanderung und einem Jahrtausend Zusammenleben vor. War dieses Jahrtausend damit friedlich oder unfriedlich? (Man muss das mal mit heutigen Zuständen vergleichen!) Ich fragte mich, weshalb viele Archäologen hier von flächendeckender Gewalt reden können, sozusagen von einer brutal gewalttätigen Epoche. Was soll denn mit solchen Behauptungen verdunkelt werden?
Außerdem sollten wir bedenken, dass vereinzelte Gewalt als mensch-männliche Schwäche vielleicht eine Fehde ausmacht, aber noch keinen organisierten Krieg und noch keine auf5organisiertem Krieg beruhende Herrschaft, das heißt, noch kein Patriarchat. Kurz gesagt: So unscharf der Matriarchatsbegriff ist, den man hier gebraucht bzw. gegen den man polemisiert, so unscharf ist hier auch der Patriarchatsbegriff. Da wäre für den Autor und manchen Archäologen noch viel zu lernen. Doch enttäuschenderweise lehnt unser Autor dies ab und belegt seine Behauptungen stattdessen häufig mit Anleihen an Bibelzitate.
Völlig grotesk wird es dann, wenn er behauptet, dass in der Zeremonie der Heiligen Hochzeit, die mythologisch weithin für die Epoche der matriarchalen Stadtkulturen belegt ist, der Mann alsbald seine „Vaterschaft zelebriert“ und „Patrilinearität aufkeimt“. Als Beleg führt er an, dass der Stierkult in der Jungsteinzeit als Symbol für die Fruchtbarkeit des Mannes nun sehr wichtig geworden ist. Ich dachte, da muss er auf einem Auge blind sein, denn er hat übersehen, dass der Stierkult gar nicht für sich steht, sondern immer eingebunden ist in die Verehrung der Göttin als der Großen Himmelskuh, wie wir es anhand von Nut und Hathor studieren können. Der Stier ist symbolisch ihr Sohn-Geliebter und wäre ohne sie gar nicht auf der Welt.
Zum anderen bedauerte ich sein tiefes Missverständnis der Heiligen Hochzeit, das hier vorliegt und offenbar weit verbreitet ist. Denn diese Zeremonie bedeutet nicht die Verbindung von Mann und Frau wie in unserem eigenen patriarchalen Hochzeits-Kult, sondern meint eine symbolische Verbindung der Göttin als der umfassenden irdisch-kosmischen Natur mit den Menschen, ihrem Volk, für das der matriarchale Heroskönig als Stellvertreter steht. Dafür gibt es überreiche mythologische Belege, die ich an anderer Stelle aufgeführt habe. Hier liegt keine Hierarchisierung der Frau über den Mann vor – dies verkennt, was matriarchale Menschen mit „Göttin“ meinen: auf keinen Fall dasselbe, was „Gott“ im Patriarchat bedeutet, sondern eben die ganze schöpferische Welt, von der die Menschen nur ein Teil sind, und zwar ein vergänglicher. Die Heilige Hochzeit nur als Mann-Frau-Begegnung zu sehen oder gar als „Heiligung der Sexualität“ zu missdeuten, ist fatal. Es ist eine unzulässige Sexualisierung aus heutiger Sicht und hat nichts mehr mit matriarchaler Kultur zu tun. Denn der männliche Partner verstand sich dabei nicht als „Mann“ und künftiger „Papa“, sondern als Repräsentant seines Volkes. Und da für ihn die Heilige Hochzeit ein einmaliges Ereignis blieb – im nächsten Jahr feierte sein Nachfolger diese Zeremonie mit der Sakralkönigin, welche die Göttin repräsentierte – frage ich mich, wie er daraus seine Vaterschaft oder gar die Vaterlinie ableiten können sollte? Erst unter patriarchaler Herrschaft, die noch keineswegs vorhanden war, konnte diese Zeremonie, wie vieles andere aus der matriarchalen Kultur, zu solchen Zwecken missbraucht werden. Doch statt einer schönen Zeremonie fanden im Frühpatriarchat ohnehin eher Vergewaltigungen der matriarchalen Sakralköniginnen statt, direkt und brutal – dazu brauchte es keine „Heilige Hochzeit“ mehr.
Wieder stehen wir vor der Frage: Was machen wir mit diesem Durcheinander? Mein Vorschlag ist, es ruhig bei der matriarchalen Jungsteinzeit zu belassen, die auch unser Autor ja noch bis 5.000 friedlich währen sieht. Und 15.000 bis 5.000 vor u. Z. ist ein sehr langer Zeitraum! Sogar nach dieser Zeit spricht er noch von erheblicher Bedeutung der Frauen, worin ich ihm Recht gebe. Doch ich würde es gern differenzieren, denn die Jungsteinzeit hatte unterschiedliche Phasen. Sie geht gegen Ende in die „Kupferzeit“, dann in die „Bronzezeit“ über (ab 4.500 vor u. Z.). In Kupfer- und Bronzezeit gab es Veränderungen, wie erhöhte Arbeitsteilung, Rinderbauern auch in Europa und eine größere Bedeutung des Mannes innerhalb der Gesellschaft, aber noch kein Patriarchat.
Doch halt! Hat nicht Marija Gimbutas gezeigt, das es in manchen Regionen durch die Domestikation des Pferdes – und die Entwicklung von Streitwagen, was sie übersah – sogar schon kriegerische Überlagerungen gegeben hat (Kurgan-Kultur)? Es ist hier jedoch die Frage, wo dies war? Denn nicht alles geschah zur gleichen Zeit. So begannen diese Tendenzen in Südrussland und der Schwarzmeerregion ab 4.500, wie sie belegt hat. Später begannen sie in Kleinasien, noch später in Sumer, und in Mittel- und Westeuropa waren solche Ereignisse noch gar nicht angekommen. Die Ausbreitung solcher Tendenzen ging sehr langsam vor sich, noch war die Kriegstechnologie nicht weit entwickelt. Deshalb blieb der größte Teil der Kulturen während der Bronzezeit noch matriarchal mit Mittelpunktstellung der Frau, ebenso mit der sozialen Ordnung in großen matrilinearen Clans. Die meisten Veränderungen konnten von diesen matriarchalen Gesellschaften aufgefangen und integriert werden. Im bronzezeitlichen Minoischen Kreta währte dies sogar bis 1.400 vor u. Z. Deshalb gibt es in Kupfer- und Bronzezeit kein verbindliches Datum für alle Kulturzonen, das Bild ist eher buntscheckig. Ich bezeichne diese Epoche für die meisten Regionen aus diesem Grund als „spät-matriarchal“.
Zum flächendeckenden Einbruch des Patriarchats mit Krieg und Eroberung und als Folge davon der Hierarchisierung der Gesellschaft in Herrenschicht und Unterworfene kam es erst in der Eisenzeit, als zum Streitwagenkrieger der Reiterkrieger hinzu kam (ab 2.000 vor u.Z.). So lange hat es noch gedauert, bis die damalige Kriegstechnologie weit genug entwickelt war, dass jetzt Europa und andere Kontinente überrannt werden konnten. Diese Epoche nenne ich „frühpatriarchal“.
Wir stellen fest: Wenn unser Autor schon kein Meister in Kulturgeschichte ist, so ist er es doch in Gehässigkeit – übrigens gegen viele Wissenschaftler/innen. Die Kulturgeschichte der matriarchalen Gesellschaftsform jedoch wartet noch darauf, geschrieben zu werden, und das geschieht nicht im Schnelldurchgang. Dafür muss noch vieles Wichtige erforscht, durchdacht und einbezogen werden. Denn es braucht Zeit, mit wissenschaftlicher Redlichkeit und Lust an gesicherten Erkenntnissen zu arbeiten – manchmal braucht es dazu Jahrzehnte.
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