Thomas Schüller
Taunusstr. 50
63303 Dreieich
Petersen Gutes Essen - Nebenan
Eppsteiner Str. 26
60323 Frankfurt (Westend)
Betreff: öffentliche Kritik an devoter Ausschreibungs- und Arbeitgeberpraxis
Guten Tag die Damen und Herren,
Ihr Unternehmen sucht mit Hilfe einer seit dem 15.03.2021 auf den Seiten des Studentenwerks Ffm geschalteten Ausschreibung eine/n studentische/n Mitarbeiter/in für den Verkauf im Feinkosthandel.
https://stellenmarkt.studentenwerkfrankfurt.de/anzeige/204951-verkauf-im-feinkosthandel
Die verlinkte Ausschreibung lässt mich leider erneut 2 Momente erkennen, die ich als defizitär empfinde:
1. Ansprache der studentischen Zielgruppe in der 2. Person Singular
2. Ein für die ausgeschriebene Tätigkeit geringer Stundenlohn von 10 €/h
Ihr Unternehmen offenbart damit für mich die traurige Neuauflage einer m.E. devot veranlagten Arbeitgeberpraxis, die es auch in einer von ihm im 3. Quartal 202 geschaltete Ausschreibung erkennen ließ. Mein damaliger Versuch mit Ihnen diese Thematik in einem konstruktiv-kritisch angelegten Dialog zu behandeln wurde leider von Ihnen abschlägig beschieden, da Sie in Ihrer (erst nach einer Erinnerung erfolgten) Antwort auf keines meiner Argumente eingingen und meine an Ihre Adresse gerichteten Fragen unbeantwortet ließen (s. Anlagen 1 - 4).
Sie schrieben mir damals, dass Ihnen für einen weiteren " glücklicherweise" an Zeit mangeln würde. Diese Aussage war nicht nur unhöflich, sondern auch falsch, denn verständige Menschen können m.E. eine solide Kontroverse relativ wenig zeitaufwändig führen. Hier kommt es auf den guten Willen an und der schien bei Ihnen leider auszufallen. Das beweist auch die gestern erfolgte neue Ausschreibung. Meine Argumente scheinen Sie nicht zu interessieren, das möchte ich aber nicht unwidersprochen stehen lassen und da angesichts Ihrer Ignoranz ein neuerlich von meiner Seite aus versuchter Dialog für mich nur unnötig meine Zeit kosten könnte, versende ich meine heutige Kritik an Ihrem Arbeitgeberverhalten in einer etwas öffentlicheren Form (neben den in Sichtkopie angeschriebenen Adressen erfährt diese Kritik Veröffentlichungen im Internet).
Zur Sache:
1. Ansprache der studentischen Zielgruppe in der 2. Person Singular
Ich sehe im geschäftlichen Verkehr die Ansprache von als erwachsen geltenden Personen als anmaßend und unhöflich, wenn diese Personen nicht vorher darauf befragt werden, ob diese mit einer solchen Anrede einverstanden sind und ihr diesbezügliches Einverständnis erklären konnten.
Stellen Sie sich bitte vor was wäre, wenn ein/e Mitarbeiter/in Ihres Hauses die Kundschaft im Erstkontakt duzen würde...
... wie würden das Ihre Kund(inn)en finden?
... wie würden Sie selber das finden?
2. ein für die ausgeschriebene Tätigkeit geringer Stundenlohn von 10 €/h
Ich erkenne positiv an, dass Ihr Unternehmen so ehrlich ist, dass es in der Ausschreibung bekannt gibt wie viel bzw. wie wenig es an Lohn zu zahlen bereit ist. Andere Unternehmen, die vermutlich genauso wenig zahlen verschweigen sachlich dienliche Angaben betreffs der Vergütung, was es den einen Job suchenden jungen Studierenden erschwert (vermutlich auch erschweren soll) die viele Spreu von dem sehr wenigen Weizen auf dem Stellenmarkt des Studentenwerks unterscheiden zu können.
Sie nennen zwar ehrlich wie wenig bei Ihnen zu verdienen ist, das schützt aber die Lohntüte der bei Ihnen beschäftigten Personale nicht vor Magersucht. Mit einem Stundenlohn von 10 Euro geht selbst bei Vollzeit wenig und wer sich im Nebenerwerb zusätzlich zur unentgeltlichen Arbeit im Studium in einen Job mit derart niedrigen Stundensätzen verdingen muss, kann sich dort nur arm arbeiten. Das letztere sehe ich für das reiche Deutschland als infam.
Ich finde es auch nicht fair, dass das zu solch einem geringen Lohn gesuchte Personal gar nicht so geringe Anforderungen erfüllen soll. Ihr Unternehmen erwartet im Fall der ausgeschriebenen Tätigkeit von Seiten etwaiger Bewerber/innen ein gepflegtes Auftreten, sehr gute Deutschkenntnisse und Freude am Umgang mit den Kundinnen und Kunden. Sie formulieren damit Ansprüche, wo die dafür im Gegenzug gebotene Vergütung eine sinnvolle Entsprechung ausdrücken sollte, das ist aber mit dem hier gebotenen Stundenlohn von 10 € definitiv nicht der Fall. Die von Ihnen gewünschte Freude am Umgang mit den Kundinnen und Kunden kann da selbst einem gutmütigen Naturell schnell vergehen, wenn es sich selber die Feinkost nicht an einem Tag im Monat leisten kann, die es an eine vermutlich deutlich besser gestellte Kundschaft verkauft.
Im nächsten Jahr wird dieser Hungerlohn von schlappen 10 Euro/h mit dem ab 01.07.2022 geltenden Mindestlohn von 10,50 €/h gejagt, auch dieser Umstand markiert wie wenig Wasser unter dem Kiel bei der Lohnfindung Ihres Unternehmens besteht.
Mich stört es sehr, wenn in einer noblen Gegend für die vermutlich noblen Bedürfnisse einer ebenso noblen Klientel einmal neu ein beschämendes Arbeitsmodell praktiziert werden soll, das für das eigentlich stinkendreiche Deutschland inzwischen als vielfach typisch scheint:
Im Lohn gedrückte Menschen sollen sich für wohlhabende Menschen arm arbeiten.
Dieses Moment kann mir inzwischen einen satten Brechreiz stimulieren, so dass ich vor der Wahrnehmung der vielen devoten Ausschreibungen, mit denen billig arbeitende Studierende gesucht werden kein gutes Essen mehr zu mir nehmen sollte. Es wäre schade um das gute Happi-Happi, denn nicht nur reiche Zeitgenossen haben eine gute Ernährung verdient.
Sie mögen nicht alleine für die benannte Problematik verantwortlich sein, zudem könnte die seit über einem Jahr das Leben und Wirtschaftsleben bestimmende Pandemie Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen schwer zu schaffen machen. Dafür können aber die hier gesuchten studentischen Aushilfen nichts und in einem reichen Land wie Deutschland kann und muss es andere Wege geben (und gibt es auch), als dass Arbeit suchende Menschen sich in eventuell auch ungerecht behandelten miittelständig aufgestellten Betrieben arm arbeiten.
Darüber lohnt sich ein Nachdenken und eine Reform der hier erkennbaren massiven Ungerechtigkeiten. Die Zeit dafür sollten Sie, Ihre Kundschaft, Politik und Medien nehmen, denn gute Arbeit gibt es nur, wenn die Bedingungen stimmen.
Mit freundlichen Grüßen Thomas Schüller
P.S.: Diese Kritik wird verschiedentlich im Netz veröffentlicht, z.B.:
Der Beschiss an arbeitenden Menschen - Politopia - Das Europa-Forum | https://politopia.de/forum/index.php?thread/19471-der-beschiss-an-arbeitenden-menschen/&postID=1082852#post1082852