.....Und dann das Ganze auch noch ins Grundgesetz verpacken ... man kann das arme Grundgesetz nicht nur überfrachten. Man kann es auch der Lächerlichkeit preisgeben. Dieser Textentwurf scheint mir dazu geeignet.
Warum das Grundgesetz dadurch, dass man das Wahlverfahren hinein schreibt, überfrachtet werden und der Lächerlichkeit preisgegeben werden soll, erscheint mir nicht verständlich. Immerhin rühren die derzeitigen Probleme mit dem Wahlrecht großenteils daher, dass es eben gerade nicht im Grundgesetz niedergelegt ist, sondern durch die so genannte einfache Gesetzgebung, die ständig wechselnden politischen Mehrheiten unterliegt, geregelt werden kann.
Die Zweifel hinsichtlich der Gleichheit der Wahl im Hinblick auf die jeweilige Größe der Wahlkreise sowie hinsichtlich der Definition von Aufträgen und Weisungen, die den Abgeordneten nach meinem Regelungsmodell erteilt werden können, sind berechtigt; sie rühren aus folgendem her:
Meinen jetzigen Entwurf habe ich erst kürzlich vom bestehenden Erst- und Zweitstimmen-Modell auf das angestrebte Einstimmen-Modell umgestellt, und erst im Zuge dessen kam die Regelung über die Größe der Wahlkreise in den Text. Die Textübertragung in meinen Forumsbeitrag fand aus einer parallelen Datei statt, die in ihrer Artikelzählung zum Zweck der öffentlichen Diskussion dem bestehenden Grundgesetz folgt und in die die Neuregelung aus meinem eigentlichen Reformentwurf für das ganze Grundgesetz noch nicht übertragen worden war. Deshalb nachfolgend noch einmal die vollständigen Ausschnitte aus meinem "Ursprungsentwurf".
Bei dieser Gelegenheit habe ich auch die Artikel hinzu gefügt, die den Hintergrund für die Diskussion bilden, ob Abgeordnete ein Stück weit einer Art imperativem Mandat unterworfen sein sollen. Das habe ich dergestalt bejaht, dass jedem Abgeordneten von der Bevölkerung seines Wahlkreises sowohl Vorlage- als auch Abstimmungsanweisungen erteilt werden können (sollen).
Selbstverständlich kann man da ganz anderer Meinung sein, und ich habe auch schon mehr als einmal auf Kritik und Anregung hin Änderungen in meinem Entwurf vorgenommen, denn wie heißt es: "Was sich einem in den Weg stellt, bringt einem voran."
Zu den einzelnen Diskussionsthemen und Kritikpunkten werde ich in meinen nachfolgenden Beiträgen im Einzelnen Stellung nehmen - jetzt wollte ich zuerst einmal die Diskussionsgrundlage vervollständigen und klarstellen.
Artikel 95 -Grundlagen-
1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den wahlberechtigten Deutschen nach den Grundsätzen einer in der nachfolgend beschriebenen Weise mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt. Die Wahlkreise dürfen in ihrer Einwohnerzahl nicht mehr als fünf vom Hundert voneinander abweichen.
2) Wahlberechtigt und wählbar sind deutsche Staatsbürger/innen, die das Alter erreicht haben, mit dem die Volljährigkeit eintritt. Die Wahlberechtigung setzt das zumindest frühere, die Wählbarkeit das anhaltende Bestehen eines Wohnsitzes in einem Wahlkreis voraus.
3) Wer sich um einen Abgeordnetensitz im Bundestag bewirbt, hat Anspruch auf den zum Vorbereiten seiner Wahl erforderlichen Urlaub. Niemand darf daran gehindert werden, sich um einen Abgeordnetensitz im Deutschen Bundestag zu bewerben sowie das Amt einer/s Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grund ist unzulässig.
4) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreter/innen des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nur in den in diesem Grundgesetz ausdrücklich genannten Fällen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Soweit sie das Erfüllen zulässiger Aufträge und Weisungen nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, werden die betreffenden Entscheidungen unmittelbar von der wahlberechtigten Bevölkerung ihres jeweiligen Wahlkreises getroffen.
Artikel 95a -Wahlverfahren-
1) Jeder Wähler/ jede Wählerin hat eine Stimme zur Wahl einer/eines Abgeordneten für den Wahlkreis, in dem er/sie seinen/ihren Wohnsitz hat oder zuletzt einen solchen hatte. Die Einzelheiten regelt ein Gesetz.
2) Politische Parteien können in allen Wahlkreisen Bewerber ernennen. Diese werden für jeden Wahlkreis von den für diesen wahlberechtigten Mitgliedern jeder politischen Partei durch allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl (Vorwahl) ermittelt. Zu ernennen ist der Bewerber/die Bewerberin, der/die die meisten Stimmen erhalten hat.
3) In jedem Wahlkreis ist unabhängig davon, ob die Bewerber/innen einer politischen Partei angehören oder nicht, der/die Bewerber/Bewerberin gewählt, der/die die meisten Stimmen erhalten hat (Personenwahl). Darüber hinaus werden so viel weitere Abgeordnetensitze vergeben, dass die jeweilige Gesamtzahl der Abgeordnetensitze, die von parteiunabhängigen Bewerbern/Bewerberinnen und von denen politischer Parteien (parteigebundenen Bewerbern/Bewerberinnen) durch Personenwahl errungen worden sind, sowohl bei den parteiunabhängigen als auch bei den parteigebundenen Abgeordneten höchstens gleich hoch ist wie die Zahl der Abgeordneten, die sich nach dem Verhältnis zwischen den insgesamt für partei-unabhängige und für parteigebundene Bewerber/Bewerberinnen abgegebenen Stimmen ergibt (Verhältniswahl).
4) Auf die sich nach der Verhältniswahl ergebende Gesamtzahl der Abgeordnetensitze sowohl der parteiunabhängigen als auch der parteigebundenen Bewerber/Bewerberinnen sind jeweils die durch Personenwahl errungenen Abgeordnetensitze anzurechnen. Die verbleibenden Abgeordnetensitze, die sich aus der Verhältniswahl ergeben, werden ohne Berücksichtigung der durch Personenwahl gewählten Bewerber/Bewerberinnen sowohl bei den parteiunabhängigen als auch bei den parteigebundenen Bewerbern/Bewerberinnen in absteigender Reihenfolge der jeweils erreichten höchsten Stimmenzahl an die jeweiligen Bewerber/Bewerberinnen vergeben. Dabei darf nicht nach der Zugehörigkeit der Bewerber/Bewerberinnen zu den einzelnen Bundesländern unterschieden werden, sondern ist auf die bundesweit einheitlichen Gesamtzahlen der Bewerber/Bewerberinnen Bezug zu nehmen.
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Artikel 148 -Vorlageanweisungen durch die Bevölkerung-
1) Die Abgeordneten des Bundestages können von der Mehrheit der Wahlberechtigten ihres jeweiligen Wahlkreises bindend damit beauftragt werden, eine vorformulierte, vollständig ausgearbeitete und begründete Gesetzesvorlage in den Bundestag einzubringen.
2) Die Gesetzesvorlage ist vom Präsidenten des Bundestages ohne schuldhaftes Zögern dem Verfahren der Gesetzgebung zuzuleiten. Für dieses gilt Artikel 147 Absatz 3 entsprechend; an die Stelle der Abgeordneten und Fraktionen oder der Bundesregierung tritt in diesen Fällen der Präsident des Bundestages.
Artikel 149 -Abstimmungsanweisungen durch die Bevölkerung-
1) Den Abgeordneten des Bundestages können von der Mehrheit der Wahlberechtigten ihres Wahlkreises bindende Anweisungen über ihr Abstimmungsverhalten gegenüber Gesetzesvorlagen erteilt werden. Bei Gesetzesvorlagen, die dieses Grundgesetz betreffen, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit der Wahlberechtigten des jeweiligen Wahlkreises.
2) Hierzu sind alle in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlagen von den Abgeordneten in ihrem jeweiligen Wahlkreis unter Angabe des Urhebers und des wesentlichen Inhalts und Zwecks der Gesetzesvorlage öffentlich bekannt zu machen. Anweisungen zum Abstimmungsverhalten eines Abgeordneten sind für diesen nur bindend, wenn sie ihm spätestens eine Woche vor der Abstimmung über die betreffende Gesetzesvorlage im Bundestag zugegangen sind.
Artikel 150 -Volksabstimmungen-
1) Eine durch ein Volksbegehren eingebrachte Gesetzesvorlage (Art. 145 Abs. 1 und Art. 146 Abs. 3) ist zur Volksabstimmung zu bringen, wenn der Bundestag und, falls die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, dieser der Gesetzesvorlage nicht unverändert zustimmen. In einem solchen Fall kann der Bundestag eine eigene Gesetzesvorlage zur Volksabstimmung mitvorlegen; diesem muss der Bundesrat zugestimmt haben, wenn seine Zustimmung zu einem Gesetz erforderlich ist.
2) Andere Gesetzesvorlagen sind nach dem Abschluss des in Artikel 147 vorgesehenen Gesetzgebungsverfahrens zur Volksabstimmung zu bringen, wenn es
1. der Bundespräsident,
2. der Bundestag auf Antrag von mindestens fünf vom Hundert seiner gesetzlichen Mitgliederzahl,
3. der Bundesrat auf Antrag der Mehrheit seiner Mitglieder aus mindestens einem Land mit den Stimmen von mindestens zwei Dritteln seiner gesetzlichen Mitgliederzahl,
4. ein Volksbegehren, dem mindestens fünf vom Hundert aller Wahlberechtigten zugestimmt haben, vor dem Zustandekommen des betreffenden Gesetzes verlangt.
Das betreffende Gesetzgebungsverfahren kann abgeschlossen werden. Ein im Zuge dessen zustand gekommenes Gesetz gilt als eigene Gesetzesvorlage des Bundestages im Sinn von Absatz 1 Satz 2 und ist als solche bei der durchzuführenden Volksabstimmung mitvorzulegen.
3) Bei einer Volksabstimmung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, soweit nicht in diesem Grundgesetz etwas anderes festgelegt ist. Das betreffende Gesetz ist aber nur beschlossen, wenn die Stimmenmehrheit mindestens ein Drittel aller Stimmberechtigten umfasst.
4) Gesetzesvorlagen, denen der Bundesrat zustimmen muss, bedürfen der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen des Bundesrats und gleichzeitig der Zustimmung von mindestens der Mehrheit aller Stimmberechtigten. Wenn in solchen Fällen nicht die erforderliche, jedoch eine in Absatz 3 genannte Mehrheit erreicht wird, kommt das Gesetz zustand, wenn in mindestens der Hälfte aller Länder die in diesem Absatz beschriebene Mehrheit erreicht wurde.