Du irrst. Wen ich, wie Du meinst, überzeugen müsste, den brauche ich garnicht zu überzeugen. Tatsächlich bist Du doch offenbar der Angst erlegen, Regeländerungen könnten demokratischen Gewinn mit sich bringen.
Zollagent: Du bist so auf deinen Wunsch fixiert, daß du Gefahren solcher Vorschläge gar nicht mehr wahrnimmst. Ich muß nicht, um Mehrheiten zu bekommen, Stimmen anders gewichten, ich muß ganz einfach mehr Menschen von meiner Ansicht überzeugen.
Das sind Mehrheiten und nicht die Schreibtischmehrheiten, die du gerne hättest.
Was unterscheidet diese Haltung eigentlich von der Angst totalitärer Regime vor wirklichen Wahlen?
Zollagent: Das ist doch einfach.
Ich möchte Mehrheiten, und nicht Wahlen unterdrücken. Bist du so schwach, daß du Totschlagargumente a lá "alle, die anders wollen als ich, sind Anhänger des Totalitarismus" brauchst?
Doch. Dafür genügt mir allein der Umstand, dass Du Wahlen in Deutschland bisher ausnahmslos mit Wohlgefallen betrachtest. Aber ich gebe Dir eine Chance: Was hast Du denn zu bemängeln?
Zollagent: Ich habe dir schon mal zu verstehen gegeben, daß ich deine "Probleme" als dekadente Luxusprobleme ansehe, deine Regeländerungen nur als den Versuch, den Kuchen anders zu verteilen. Und
dafür blase ich nicht in das Horn der Kritik derer, die nur kritisieren, weil ihnen der ganze Staat nicht gefällt. Solche Kritik ist auf Vernichtung, nicht auf Verbesserung aus. Das war jetzt recht heftig, aber dein permanenter Versuch "Komm, du mußt doch was zu kritisieren haben" und die sich dann abzeichnende nachfolgende Argumentation "Wie kannst du einen Staat verteidigen, den du selbst kritisierst", ist doch etwas zu simpel gestrickt, als daß ein aufmerksamer Leser drauf reinfiele.
Das kannst Du natürlich sehen, wie Du willst. Das demokratische System Deutschlands erlebt sehr wohl eine Phase der Stagnation, darüber können auch die jüngsten Wahlen nicht hinwegtäuschen.
Zollagent: Du bist dann einer von sehr, sehr Wenigen, die Solches sehen. Dir ist sicher nicht bekannt, daß z.B. die Wahlbeteiligung bei uns in aller Regel höher liegt als die in den alteingesessenen Demokratien. Wo du hier eine "Stagnation" sehen willst, erschließt sich mir nicht. Was ich aber sehe, ist, daß du es so sehen
willst!
Die Begriffe "Evolution" und "Revolution" sind dabei fehl am Platz.
Ein Machtwechsel in einem Bundesland ist noch lange nicht Ausdruck einer Evolution unseres demokratischen Systems, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.
Zollagent: Eben, es ist
Evolution. Du wünschst dir
Revolution. Q.E.D.:winken:
Und erneut böte sich hier die Möglichkeit konstruktiver Vorschläge für eine "Wahl-Evolution". Nur frei heraus ...
Zollagent: Deine Probleme sind nicht die meinen. Und deshalb habe ich auch keine "Vorschläge" in deinem Sinn. Denn dem stimme ich nicht zu.
Ach, das soll eine Metapher gewesen sein? Erzengel Michael als Bezwinger des Satans und Gorbi als Totengräber Honnis? Dann ist sie aber gründlich in die Hose gegangen. Und den Gesamtkontext des Gorbatschowschen Satzes hast Du hast Du nicht verstanden!!!
Zollagent: Ich sehe schon, wer mit dir diskutiert, muß mehr bodenständige Metaphern verwenden.
:rolleyes2:
Vielleicht liest Du mal etwas mehr von oder über ihn? Wenn Du es möchtest, mache ich Dir dazu gern Vorschläge!
Zollagent: Brauchst du nicht. Wenn du meine Bibliothek durcharbeiten wolltest, würdest du bis ans Ende deiner Tage beschäftigt sein.
Deine "Verlierer"-These ist offenbar so etwas wie essentielle Autosuggestion, Selbstbetrug, um die Fassung zu bewahren und Selbstzweifel zu verleugnen?
Zollagent: Nein, es ist der Ausfluß des täglichen Umgangs mit den betroffenen Personen. Da wird nicht mehr, wie übrigens du auch, angenommen, man könne Mehrheiten erreichen, also wird am Regelwerk herumgedoktort. Um Aganos Schach-Beispiel aufzugreifen, man versucht, einen Bauern zum Springer aufzurüsten und einen Turm zur Dame. Also nicht die Anzahl der Stimmen zu erweitern, sondern ihre Wirksamkeit. Das ist alles Mögliche, hat aber mit Demokratie rein gar nichts zu tun.
Ein Staat wie Deutschland hat nur eine Zukunft, wenn Deine "Führer" begreifen, dass sie auf diesem Weg alle Bürger mitnehmen müssen.
Zollagent: Mitnehmen ist was Anderes als Vollkaskoversorgung. Wer in einer Demokratie mitgenommen werden will, muß auch selbst was einbringen. Forderungen sind keine Einbringsel.
Na jetzt kommen wir doch auf das Wesentliche. In Reformen unseres demokratischen Systems siehst Du vielmehr die drohende Gefahr grundätzlicher sozioökonomischer Verwerfungen und eine Bedrohung Deines persönlichen sozialen und monetären Standes.
Das hättest Du auch gleich sagen können, dann hätten wir uns diesen wahltheoretischen Exkurs schon lange schenken können.
Dein winner-loser-Bild hängt einfach schief!
Zollagent: Und weshalb ist in deinen Augen meine Ansicht verwerflich, aber die gleiche für die "Mitgenommenen" förderungswürdig? Hat jemand aus der Mittelschicht keine Rechte? Weshalb sollte eine Minderheit, die ein Problem mit den Erwerbsregeln unseres Staates hat, ausschließlich ihre Bedürfnisse berücksichtigt sehen, aber die, die das bezahlen sollen, sollen schweigen? Ist das das, was du vorher so schön "Gerechtigkeit" genannt hast? St. Martin lebt nicht mehr. Und auch er gab nicht alles weg.