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Do. 9. November 1989
Wie der Regierungssprecher mitteilte, hat der Ministerrat der DDR beschlossen, dass bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung der Volkskammer folgende Bestimmungen für Privatreisen und ständige Ausreisen aus der DDR ins Ausland mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt werden:
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(Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)
Zur bisher größten Demonstration in Gera formierten sich am Donnerstagabend mehrere 10 000 Bürger der Bezirksstadt.
Auf dem Erfurter Domplatz forderten am Donnerstagabend rund 80 000 Bürger freie Wahlen, Rechtstaatlichkeit und Freizügigkeit.
(Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)
Aus Anlass der Pogromnacht vom 9. November 1938 gedachten gestern in vielen Orten Bürger der Republik der Jüdischen Opfer der faschistischen Rassenverfolgung.
Karl-Marx-Stadt. "Wir sind nicht nur als Juden hier geblieben, um zu mahnen und zu erinnern. Wir fordern die Bürger dieses Landes auf, mit allen gesellschaftlichen Kräften entschieden Widerstand gegen aufkommenden Neonazismus und Ausländerfeindlichkeit zu leisten", sagte Siegmund Rotstein, Präsident des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR, bei einer Kranzniederlegung an der Porphyrstele auf dem Karl-Marx-Städter Stephanplatz, wo vor 51 Jahren Nazi-Brandstifter die Synagoge vernichtet hatten.
Leipzig. Die ersten Exemplare der Dokumentation "Juden in Leipzig" übergab der stellvertretende Vorsitzende des Rates des Bezirks Dr. Hartmut Reitmann. Empfänger waren Siegmund Rotstein und der Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde.
Einige zehntausend Leipziger marschierten schweigend zum mit Kränzen umlegten Synagogenstein in der Gottschiedstraße. Sie protestierten damit, auch gegen rechtsradikale Tendenzen.
Erwin Martin, Vorsitzender der "Zur Geschichte der Leipziger Juden", überreichte Siegmund Rotstein einen Brief. Darin befürwortet eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Besucher beim Auftakt der ersten Leipziger "Tage der jüdischen Kultur" (7. bis 9. November), dass die DDR unverzüglich diplomatische Beziehungen zum Staate Israel aufnimmt.
Berlin. Mit einer Kranzniederlegung vor der Ruine der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin ehrten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde von Berlin, Bürger der Stadt sowie Vertreter des Magistrats, von Parteien und Massenorganisationen die Opfer der Pogromnacht.
Weitere Veranstaltungen fanden u. a. in Potsdam, Magdeburg, Schwerin und Halle statt.
(Berliner Zeitung, Fr. 10.11.1989)
Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Adass Jisroel Berlin hat seine Enttäuschung darüber öffentlich gemacht, dass vor einem Jahr gegebene Zusagen der DDR nicht erfüllt wurden.
In einer Presseerklärung zum Jahrestag der antisemitischen Pogromnacht vom 9. November 1938 wird daran erinnert, dass zum 50. Jahrestag der nazistischen Pogrome vom Staatsoberhaupt der DDR gegenüber dem Vorstand und dem israelischen Oberrabbiner Itzhak Kolitz die volle Wiedereinsetzung von Adass Jisroel Berlin in alle ihr von den Nazis 1939 entzogenen Rechte und die Rückgabe ihrer Gemeinde-Stätten feierlich verkündet worden war. Diese Erklärung sei nicht eingelöst worden. "Damit sind die Erwartungen der überlebenden Mitglieder und deren Nachkommen und ihr in das Selbstverständnis der DDR als antifaschistischer Staat gesetztes Vertrauen tief enttäuscht worden". Der Vorstand habe für Montag Politiker und weitere Persönlichkeiten zu einem Treffen eingeladen, um gemeinsam zu versuchen, geschwundenes Vertrauen wieder aufzubauen und den unwürdigen Zustand zu beenden.
(Berliner Zeitung, Fr. 10.11.1989)
Am Donnerstag beschloss die Bezirksleitung Halle der SED auf einer außerordentlichen Tagung, Hans-Joachim Böhme von seiner Funktion als 1. Sekretär zu entbinden. Von den anwesenden 64 Mitgliedern stimmten vier dagegen. Der Abstimmung, die einem Antrag Hans-Joachim Böhmes entsprach, ging eine mehr als vierstündige Aussprache der Mitglieder und Kandidaten der Bezirksleitung sowie der 1. Sekretäre der Kreisleitungen voraus.
(Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)
Die SED-Bezirksleitung Cottbus hat, wie mitgeteilt wurde, Werner Walde, Kandidat des Politbüros des ZK der SED, von seiner Funktion als 1. Sekretär und Mitglied der Bezirksleitung entbunden. Sie entsprach damit einem Antrag von Werner Walde.
(Neues Deutschland, Fr. 10.11.1989)